Der Reisebus bringt uns zu dem in der Brandenburger Neustadt gelegenen ehemaligen Dominikanerkloster Sankt Pauli.
Es gehört zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Backsteinklöstern im Nordosten Deutschlands.
Unser Autor berichtet vom heiligen Dominikus, dem Gründer des Predigerordens, von der Architektur der Neustädtischen Klosteranlage und vom Archäologischen Landesmuseum Brandenburg.
Der Ursprung des Ordens der Dominikaner wurzelt am Anfang des 13. Jahrhunderts mitten in einer Epoche des gesellschaftlichen Umbruchs. Damals verbreitete sich in der südfranzösischen Region um die an der Garonne gelegenen okzitanischen Stadt Toulouse mit den Albigensern beziehungsweise den Katharern, die die Reinen genannt wurden, eine streng religiöse und asketisch lebende Gemeinschaft. Sie fand immensen Anklang unter der einheimischen Bevölkerung. Große Bewunderung erfuhr die spartanische und gottesfürchtige Lebensweise der Katharer, die der gängigen Praxis des damaligen Klerus entgegen stand.
Gegen den aufkommenden Zeitgeist stellte sich der aus Altkastilien stammende Wanderprediger Dominikus von Caleruega, *ca. 1174. Er war als besitzloser und gebildeter Mann per pedes apostolorum, zu Fuß wie die Apostel, unterwegs, um die Katharer mit klaren Argumenten zu widerlegen. Seine charismatische Persönlichkeit begeisterte die einfachen Menschen. Da er sichtbare Erfolge erzielen konnte, schlossen sich Dominikus einige Gleichgesinnte an, um ihn in seinem aufopferungsvollen Missionswerk als überzeugender Prediger unter die Arme zu greifen. Schließlich erkannte Papst Honorius III. die rechtgläubige Bruderschaft im Jahr 1216 als neue Kongregation an, die fortan Predigerorden genannt wird. Als der heilige Dominikus die ersten Brüder aus Spanien in das ferne Paris entsendet hatte, war der Anfang der raschen Verbreitung des Dominikanerordens in ganz Europa gemacht.
Zudem forderte der Heilige von den Mönchen seiner Gemeinschaft, sich durch beständiges Lernen im Studium der Theologie zu vervollkommnen, um ein besseres intellektuelles Niveau zu erreichen. Dominikus bestand darauf, qualifizierte Prediger auszubilden, die seinem hohen Anspruch gerecht wurden. Weil die Ordensbrüder im Dienst der frohen Verkündigung Jesu standen, sollten sie selbst ein beispielgebendes Leben in mittelloser Armut praktizieren. Aus diesem Grund wurden sämtliche Predigermönche von Dominikus persönlich zum völligen Verzicht auf Besitz und auf feste Einkünfte verpflichtet. Da die Bruderschaft ihren kargen Lebensunterhalt durch ihre seelsorgliche Arbeit und durch mildtätige Almosen erwarb, werden die Dominikaner auch als Bettelorden bezeichnet.
Tod des heiligen Dominikus – Las Casas, der Apostel der Indios – Schrecken der Inquisition
Nachdem der heilige Dominikus im Jahr 1221 gestorben war, hatte er eine disziplinierte Ordensgemeinschaft hinterlassen, die genug gefestigt war, das Evangelium bis über die Grenzen der damals bekannten Christenheit zu verkünden.
Die professionell organisierten Entdeckungsreisen der aufstrebenden Seefahrernationen – der Portugiesen, Spanier, Holländer und Engländer – hatten im 16. Jahrhundert zu diversen Handelskolonien und -kontoren in der Neuen Welt und im fernen Asien geführt. Es soll nicht vergessen sein, dass die Dominikaner häufig die kolonialen Vorgehensweisen der großen Seemächte mit mahnenden Worten kritisierten. An dieser Stelle ist der unvergessliche Dominikanerpater Bartolomé de las Casas zu nennen, der seine anklagende Stimme für die verletzten Rechte der Indianer in zahllosen Streitschriften erhob. Las Casas unerschrockener Mut und sein unermüdlicher Kampf für Gerechtigkeit brachte ihm den ehrenvollen Titel eines Apostels der Indios ein. Zu den dunklen Spuren, den der fehlbare Predigerorden in der abendländischen Geschichte hinterlassen hat, darf auch ihre federführende Rolle bei der grausamen Inquisition und der Hexenverfolgung nicht unerwähnt bleiben, die sie mit aktiv vorangetrieben hatten. Trotz religiöser Pogrome, Kriegen und anderer Umwälzungen halten die Dominikaner heute auf allen fünf Kontinenten unerschrocken gegen den sich ausbreitenden Zeitgeist der Säkularisierung mit ihren ermahnenden Predigten stand.
Markgraf Otto IV. stiftet 1286 das Dominikanerkloster Sankt Pauli – Architektur der Kirche und Konventsgebäude
Das ehemalige Dominikanerkloster Sankt Pauli und die eindrucksvolle Stiftskirche wurden im Jahr 1286 durch den vielseitigen Brandenburger Markgrafen Otto IV. mit dem Pfeil aus der Dynastie der Askanier gegründet. Weil Otto IV. auch als talentierter Minnesänger reüssierte, hat er in der legendären Manessischen Liederhandschrift zu Recht einen unbestrittenen Platz gefunden.
Es handelt sich um eine dreischiffige gewölbte Backsteinhallenkirche mit einem einschiffigen polygonalen Abschlusschor, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts erbaut worden war. Ihr schlanker Turm wurde in der Mitte des 15. Jahrhunderts hinzugefügt. Bis heute sind die mittelalterlichen Umfassungsmauern mit beinahe ihrem gesamten Fenstermaßwerk, das an der Nordseite gelegene Doppelportal und ein Teil der auf Achteckpfeilern ruhenden Arkaden erhalten geblieben. An der Südwand des Chors befindet sich eine bemalte Inschrift, die nähere Daten zu ihrer Baugeschichte erwähnt.
Südlich des gotischen Gotteshauses liegen die Konventsgebäude des Sankt Pauliklosters. Es umfasst drei zweigeschossige Flügel, die sich um einen quadratischen Innenhof mit einem vierseitigen Kreuzgang gruppieren. Im Inneren der Klausur stehen eine Reihe qualitätsvoller Epitaphe und Grabtafeln. Nach den kriegsbedingten Zerstörungen wurde das imposante Dominikanerkloster in seinem Äußeren weitgehend wieder hergestellt.
Westlich der beeindruckenden Stiftskirche befindet sich die durch einen zweigeschossigen Verbindungsbau angeschlossene Marienkapelle. Dieser rechteckige Backsteinbau war ursprünglich zweigeschossig konzipiert, mit jeweils drei Kreuzgewölben versehen worden und wurde um das Jahr 1500 erbaut. Davon blieben bis heute die von gotischen Laubwerkkonsolen gestützten Gewölbe erhalten.
Nach den katastrophalen Bombardements des II. Weltkriegs erhielt das sakrale Gebäude ein flaches Notdach als Abschluss.
Das Archäologische Landesmuseum Brandenburg im restaurierten Dominikanerkloster
Die Geschichte des Bundeslandes Brandenburg ist aufregend. Das im Jahr 2008 umfangreich renovierte Archäologische Landesmuseum zeigt seine historischen Objekte im mittelalterlichen Dominikanerkloster Sankt Pauli auf circa 2.000 Quadratmetern in insgesamt neun Sälen. In der modernisierten und didaktisch verbesserten Dauerausstellung werden den interessierten Besuchern etwa 10.000 erlesene Ausstellungsstücke präsentiert, die eine großartige Vorstellung der Brandenburger Kulturgeschichte vermitteln. Der Museumsrundgang beginnt mit der Altsteinzeit, dem Paläolithikum, und führt uns über die nachfolgende Bronze- in die jüngere Eisenzeit. Anschließend gelangen wir von der bewegten Völkerwanderungszeit, dem eigentlichen Beginn des europäischen Frühmittelalters zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert in die geheimnisvolle Welt der Slawen. Schließlich werden die wissbegierigen Museumsgäste durch das hohe und späte Mittelalter in unsere technikbegeisterte Neuzeit geführt.
Zu den ältesten Artefakten gehören bearbeitete Steinwerkzeuge der ersten Frühmenschen, der inzwischen ausgestorbenen Neandertaler. Staunend nehmen wir kostbare jungsteinzeitliche Goldringe und einen menschlichen Schädel zur Kenntnis, der bereits Spuren eines operativen Eingriffs aufweist.
Nicht nur ein zweirädriger Wagen en miniature aus Bronze aus einem zufälligen Bodenfund bei Potsdam, sondern auch die archaischen Bestattungspraktiken der Bronzezeit können uns die komplexen Alltagsrituale unserer weit entfernten Vorfahren anschaulicher vermitteln.
Aus der chaotischen Völkerwanderungszeit des 5. nachchristlichen Jahrhunderts tritt den staunenden Besuchern eine junge Frau entgegen, deren Schädel nach hunnischer Sitte der zentralasiatischen Reitervölker bereits als blutjunges Mädchen künstlich geformt worden war. Einerseits ist dieses besondere Fundstück bislang einzigartig im märkischen Brandenburg, andererseits dürfte uns auch die nomadische Lebensweise der kriegerischen Hunnen fremd bleiben. Ein bedeutender archäologischer Fund ist der wertvolle aus dem 11./12. Jahrhundert stammende Münzschatz aus der Zeit der sagenumwobenen Slawen, der in Plänitz im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ausgegraben wurde. Von den teilweise ausgedehnten Fernreisen, die bereits im Mittelalter unternommen wurden, zeugen die hübschen Relikte eines Tonhorns, das vermutlich ein Souvenir von einer gottgefälligen Wallfahrt in die frühere Reichsstadt Aachen war. Des Weiteren belegen eine seltene Pilgermuschel vom mutmaßlichen Grab des heiligen Jakobus des Älteren aus Santiago de Compostela und weitere Heiligenstatuetten die gewachsene Frömmigkeit in der spätmittelalterlichen Havelstadt Brandenburg.
Hinweis
Archäologisches Landesmuseum Brandenburg ∙ Paulikloster ∙ Neustädtische Heidestraße 28 ∙
14776 Brandenburg an der Havel, Neustadt ∙ Telefon: 0 33 81 / 41 0 41 12
Anfahrt: Mit dem Reisebus erreichen Sie das Paulikloster via A2, B1 und B101. Ein Parkplatz vor dem Gebäude ist vorhanden. Zwei barrierefreie Parkplätze befinden sich vor dem Haupteingang.
Öffnungszeiten: Mo geschlossen · Di-So 10-17 Uhr
Eintrittspreise für die Dauerausstellung: Erwachsene 5 € ∙ Ermäßigt 3,50 € ∙ Familien 10 € ∙
Kinder unter 10 Jahren frei ∙ Schulklassen inklusive Lehrer 2 € pro Person
Lesenswert
Barth, Matthias: Romanik und Gotik in Brandenburg und Berlin, Architektur und Baudekor des Mittelalters. Würzburg 2009
Schneider, Reinhold: Las Casas vor Karl V. Szenen aus der Konquistadorenzeit. Leipzig 1938, Erstausgabe