Was ist eines der bekanntesten Highlights der Stadt?
Wo kommt man wirklich hoch hinaus?
Waren Sie schon mal oben?
Welches ist das höchste Bauwerk Deutschlands?
Der Berliner Fernsehturm ist mit 368 Metern Höhe tatsächlich das höchste Bauwerk Deutschlands und zugleich der vierthöchste Fernsehturm Europas. Das spektakuläre Bauwerk wurde in der für heutige Verhältnisse sensationell kurzen Bauzeit von knapp vier Jahren von 1965 bis 1969 gebaut. Damals war der Berliner Fernsehturm nach dem Empire State Building in New York und dem Moskauer Fernsehturm das dritthöchste Gebäude der Welt. Am 3. Oktober 1969 von eingeweiht, brachte der Fernsehturm der Bevölkerung DDR zudem das Farbfernsehen und ein Zweites Fernsehprogramm. Am 7. Oktober, dem alljährlichen Tag der Republik, konnte dann auch das allgemeine Publikum den Turm erklimmen. Besteigen nicht – die Treppen sind nur für den Notfall – in 40 Sekunden ist man vom Erdboden mit dem Lift in der Turmetage und genießt einen wunderbaren Ausblick über die ganze Stadt. Heute wie damals. Damals allerdings konnte man den Westen kaum orten, da jedenfalls die jungen Leute nicht wussten, wie es da aussieht und wo sich was befindet.
Der Berliner Fernsehturm, die Weltzeituhr und ich
Ich kann mich noch genau erinnern. Wir, meine Familie und ich, wir lebten in einem Außenbezirk von Berlin, im Südosten in Köpenick und ich kam, da ich ein Kind war, nur selten in die Stadt. Wir hatten die Berliner Zeitung abonniert, weil meine Schule das wünschte und wir rümpften zugleich über die gleichgeschalteten Inhalte oft die Nase – der Baufortschritt des Fernsehturms am Alexanderplatz, mit großen Fotos auf Seite 1 dokumentiert – entging mir als Elf-, Zwölfjährige allerdings nicht. Ich glaube, der Bau des Berliner Fernsehturms war eine der ersten öffentlichen Nachrichten, die ich selbstständig mitbekam und die mein Lebensgefühl veränderte und bestimmte. Meine Mutter hatte dafür kaum einen Kopf. Mein Vater, ein hochrangiger Wissenschaftler und Arzt, saß seit 1967 im Gefängnis in Bautzen und meine Mutter, sie war Zahnärztin, arbeitete nun ganztags in der Jugendzahnklinik in Weißensee, am anderen Ende der Stadt. Unser Leben war nicht einfach, soviel hatte ich als Zehnjährige bereits erfahren, aber dass in unserem Berlin, im muffigen Osten, so dachten wir über uns selbst, der höchste Turm weit und breit gebaut wurde – das gab mir Hoffnung und auch Freude.
Neben den Fernsehturm wurde eine Weltzeituhr in avantgardistischem Styling gestellt. Über den 24 Zeitzonen der Erde schwebte das Planetensystem. Hier konnten wir die Zeit von Los Angeles bis Tokio, von Oslo bis Kapstadt ablesen. Orte, die ein normaler DDR-Bürger nie erreichen konnte. In einem Land, das seine Bürger nicht frei reisen ließ, weckte die Weltzeituhr Hoffnungen darauf, dass es doch eines Tages anders werden könnte. Wie es anders wurde, war allerdings weder geheim geplant noch vorauszusehen. Ich freute mich als Kind tatsächlich darüber, dass die Welt nun überhaupt offiziell und für alle sichtbar war. Die Weltzeituhr ist bis heute ein beliebter Treffpunkt in Berlin. Besonders im Osten der Stadt.
Der erste Besuch ganz oben
Im Sommer des Jahres darauf ging ich mit meiner Patentante Christine, die im West-Berlin wohnte und uns besuchen kam, zum ersten Mal auf den Berliner Fernsehturm. Ich war fasziniert von dem Bauwerk – es war Ende der sechziger Jahre, die Zeit der Superlative: Höher, Schneller, Weiter, auch die der Flüge ins Weltall – und dass wir in unserem Berlin, meiner Stadt, nun einen Wolkenkratzer hatten, auf den jeder hinauf konnte, fand ich toll. Zwar musste man, um hinauf zu kommen, etwas anstehen, vielleicht eine Stunde, aber das war ich aus meinem Alltag sowieso gewohnt. Überall, wo es etwas Besonderes gab – und wenn es nur frische Schrippen waren, musste man anstehen. Manche Erwachsene stellten sich sogar sofort irgendwo an, wenn sie nur eine Schlange sahen – während des Wartens bekam man mit, worum es ging. Bananen, Apfelsinen oder eben einen besonderen Ausblick. Auch in Lokalen, Cafés, Restaurants musste man oft anstehen. Aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls war der Kunde so gut wie nie König. Über eine freundliche Bedienung durch einen Kellner war man erstaunt. Denn man war eigentlich das Gegenteil gewohnt: man war sozusagen auf seinem Platz in einem Lokal geduldet und störte die Kellner durch Anwesenheit bei was auch immer. Oben auf dem Fernsehturm war das etwas anders. Hier wurde man frisch, freundlich und zuvorkommend bedient, nach einer Stunde wurde allerdings abkassiert, denn solange dauerte es, bis sich die Kuppel des Turms einmal um ihre eigene Achse gedreht hatte und man das ganze Panorama gesehen hatte. Dann waren andere Besucher an der Reihe. Die Drehung spürte man nicht. Heute dreht sich die Kuppel innerhalb von 20 Minuten einmal um die eigene Achse. Der Aufenthalt im Restaurant Sphäre ist ebenfalls zeitlich begrenzt und man muss online reservieren. Es gibt auch Abende mit Live-Musik und Shows und Jazz Brunch.
Der Berliner ist bekannt dafür, Spitznamen zu erfinden. Nach dem Bau des Fernsehturms wurde von offizieller Seite der Name Telespargel in Umlauf gesetzt. Die Berliner fanden das nicht so lustig. Eher etablierte sich Rennomierstängel und St. Walter, da die Sonne mitunter ein weithin sichtbares Kreuz auf die Kuppel reflektierte. Das war besonders lustig, denn zuvor waren einige Kirchen im Berliner Stadtzentrum abgerissen worden und überhaupt war die DDR ein atheistischer Staat und nun setzte sich „Gott“ durch. St. Walter – so genannt nach dem langjährigen Staatsoberhaupt Walter Ulbricht – stand nun neben der Berliner Hauptkirche St. Marien.
Als ich nach dem Mauerfall einmal mit Freunden aus Süddeutschland in Berlin war und ihnen den Fernsehturm zeigen wollte, weigerten sie sich, wegen eines Zutritts zu einem Turm und einer Aussicht über die ganze Stadt auf unbestimmte Zeit irgendwo anzustehen und wir gingen nicht auf den Turm. Sie hatten mein Mysterium des Berliner Fernsehturmes nicht verstanden. Sie lebten eben in einer anderen Welt.
Der Berliner Fernsehturm ist aus Sicherheitsgründen, im Notfall nur Treppen, nicht barrierefrei zugänglich.