Von der russischen Botschaft am Linden-Boulevard sind es nur wenige hundert Meter, um zum einstigen Wohnhaus des bedeutendsten Berliner Hofbildhauers des 19. Jahrhunderts Johann Gottfried Schadow zu gelangen.
Unser Autor berichtet über das klassizistische Gebäude, in dem der geniale Schöpfer der weltberühmten Quadriga auf dem Brandenburger Tor gelebt hat.
Es ist lediglich ein kurzer Straßenzug, der seit dem späten 19. Jahrhundert als Schadowstraße bezeichnet wird. Sie verläuft zwischen dem Linden-Boulevard und der Dorotheenstraße, an der einst die nach der Kurfürstin Dorothea benannte Dorotheenstadt im heutigen Ortsteil Berlin-Mitte endete. Aus diesem Grund wurde die Schadowstraße zunächst auch Mauerstraße und später kleine Wallstraße genannt.
Das Schadow-Haus wird erbaut – 1805 – und verändert – 1851
Das in der Schadowstraße 10/11 gelegene Wohnhaus des talentierten Zeichners, Berliner Hofbildhauers und späteren Direktors der Königlichen Preußischen Akademie der Künste, Johann Gottfried Schadow, wurde im Jahr 1805 zunächst als ein zweigeschossiges klassizistisches Gebäude errichtet. Es umfasste den nördlichen Hofflügel und die eingeschossige quergestellte Werkstatt des Meisters.
Im Jahr 1851 ließ Felix Schadow, der jüngere Sohn von Johann Gottfried, das gesamte Haus um ein Stockwerk erhöhen und mit einem südlichen Flügel erweitern.
Künstlerische Gestaltung der Fassade des Schadow-Hauses
Die Fassade des Schadow-Hauses ist durch ein Quadermauerwerk, einen Rankenfries und Gesimse gegliedert. Gesimse dienen der architektonischen Gestaltung von Wandflächen und Fassaden. Zwei flache Risalite bilden die jeweils ein wenig vorstehenden Ecken des Schadow-Hauses. Linker Hand befindet sich das Eingangsportal. Darüber wurden links und rechts ein Stuckrelief angebracht. Das linke Relief zeigt uns die Entwicklung der Kunst des Altertums. Auf dem Relief zur rechten Hand sind die von Meister Schadow und seiner versierten Werkstatt bildhauerisch angefertigten Förderer der Kunst in der Antike und in der Renaissance zu erkennen.
Hermann Schievelbein gestaltete das Hauptrelief an der Fassade des Schadow-Hauses
Das in der Mitte des Hauses über der ersten Etage angebrachte Hauptrelief stammt von dem Berliner Bildhauer Hermann Schievelbein, der auch das bekannte Skulpturenpaar: Pallas Athene unterrichtet den Jungen im Waffengebrauch, auf der von Karl Friedrich Schinkel erbauten Schlossbrücke in Marmor modellierte. In der Mitte des Reliefs am Schadow-Haus befindet sich ein Rechteckfeld mit dem Porträtmedaillon des Hofbildhauers, das von geflügelten Genien flankiert wird. Genien fungieren als übernatürliche Schutzgeister, die in Form von kleinen nackten Putten für den alltäglichen Schutz der Menschen, der Völker und/oder der Städte verantwortlich sind. Seitlich wurde ein hübsches Medaillon mit Maler- und Bildhauerwerkzeug am Schadow-Haus angebracht.
Gipsabgüsse bekannter Schadow-Reliefs in dessen Wohnhaus
In der Tordurchfahrt sind Gipsabgüsse Schadowscher Reliefs zu sehen. Drei Aktstudien sowie Teile von bekannten Grabmälern des Meisters sind dort anmontiert. Dazu gehören zwei Genien von dem bekannten Grabmal des mit acht Jahren verstorbenen Grafen Alexander von der Mark, das wir heute in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel betrachten können. Dass zunächst in der nicht mehr existierenden Dorotheenstädtischen Kirche aufgestellte Grabmonument gehörte zu den sogenannten sieben Wunderwerken Berlins. Ein weiteres populäres Glanzstück Schadows ist die entzückende Prinzessinnengruppe. Sie stellt die spätere Königin Luise von Preußen zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Friederike dar.
In dem, durch drei Arkaden zum Treppenhaus hin geöffnetem Teil der Tordurchfahrt sind vier männliche und ein weiblicher Profilkopf angebracht, die in der Form von kreisrunden Bildreliefs, sogenannten Tondi, angefertigt wurden.
Eduard Bendemanns Brunnen des Lebens im Schadow-Haus
In einem Raum der ersten Etage befindet sich ein großes dreiteiliges Fresko, der Brunnen des Lebens, der von den allegorischen Darstellungen der Schönen Künste umgeben ist. Das großflächige Bildnis, auf dem Familienangehörige und deren Freunde zu sehen sind, stammt von dem damals populären Porträt- und Historienmaler Eduard Bendemann, dem Schwiegersohn Johann Gottfried Schadows.
Meister Schadows letzte Lebensjahre
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Meister Schadow ein zweites Mal. Sein Sohn Felix wurde, ebenso wie sein älterer Halbbruder Friedrich Wilhelm von Schadow, ein bekannter Maler. In Folge einer Augenoperation widmete sich der alte Maestro weniger mit der Bildhauerei als mit dem Zeichnen. Es ist verbürgt, dass sogar gekrönte Häupter und berühmte Reisende gelegentlich bei dem legendären Bildhauer vorbeischauten, um sich porträtieren zu lassen. Johann Gottfried Schadow starb friedlich am 27. Januar 1850 im hohen Alter von 85 Jahren in Berlin. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte, auf dem sein Ehrengrab noch heute aufgesucht werden kann.
Hinweis
Schadow-Haus, Schadowstraße 10-11, 10117 Berlin-Mitte
Öffnungszeiten: Di–So 11.00–17.00 Uhr, Eintritt frei
Anfahrt: Buslinien 100, N5. Haltestelle: S+U-Bahnof Brandenburger Tor, zu Fuß 200 Meter
Aktuell (Januar 2024) ist das Schadow-Haus wegen Bauarbeiten geschlossen
Lesenswert
Koch, Elfi: Sanierung Schadowhaus in Berlin. Baukonstruktive Herausforderung, in: Beratende Ingenieure 2014, Heft 3