Der Bahnhof Zoo war einst Berlins bekanntester Bahnhof. Bis der Hauptbahnhof ihn 2006 nach seiner Eröffnung als zentraler Verkehrsknotenpunkt der Hauptstadt ablöste. Was ist übrig vom Mythos Bahnhof Zoo?
„6 Uhr 14 Bahnhof Zoo
Der Zug rollt ein, die Bremsen schrein
Der Tag ist taufrisch, der Himmel, blau mit Sahne
Die Sonne pieckst mir ins Gesicht
Ich kneif mich ganz fest in den Arm
Ich bin in Berlin!“
So sang das Mädchen aus der Provinz in dem Musical „Linie 1“ des Berliner Grips Theaters in ihrem Eröffnungssong. Das Musical hatte 1986 Premiere, damals war die Stadt noch geteilt. „Linie 1“ wurde ein Welterfolg, das Stück wurde von Amsterdam, London, Paris, New York bis Kalkutta, Omsk und Korea gespielt. Die Geschichte beginnt damit, dass ein Mädchen nach Berlin reist in der Hoffnung, hier ihren Märchenprinzen, einen Rockmusiker, zu treffen. Der kommt aber nicht, sie ist allein am Bahnhof Zoo und in der großen Stadt. Was sie nun erlebt, auf der U-Bahn-Linie 1, die damals fast einmal durch die Stadt ging – von Wilmersdorf bis Kreuzberg – davon erzählt der größte Erfolg des Grips Theaters.
Das Mädchen singt weiter, sie beschreibt den Bahnhof Zoo folgendermaßen: „Es riecht nach Großstadt, nach Ruß und Abenteuer, nach Kino, Weltkrieg und Benzin, Schicksal und Pisse, Wahnsinn das isse – die Luft von Berlin“. Besser kann man die Bahnhofs- und auch die Berliner Luft nicht beschreiben. Bis heute hat sich da nicht viel geändert.
Äußerlich gesehen ist der Bahnhof Zoo heute ein großer Halte- und Umsteigebahnhof. Hier halten Regionalzüge, die S- und U-Bahn und es wird viel gebaut. Gemütlich oder gar heimelig ist es hier immer noch nicht geworden. Ankerpunkte sind ein großer Zeitungsshop, der seit Westberliner Zeiten besteht, eine gute Curry-Wurst-Bude, Curry 36, auf dem Bahnhofsvorplatz – die auch Bio Curry Wurst vom Havelländer Apfelschwein verkauft – und die bekannte Uhr ebenfalls draußen am Bahnhofsvorplatz. Die 3 Travellers, eine legendäre Unterhaltungsband, sangen 1951 in einem Schlager „Und sollt man dich mal fragen: wann trifft man sich und wo? Dann kannst du ruhig sagen: an der Uhr am Bahnhof Zoo.“ Die Uhr gibt es zum Glück heute noch. Und ich hab diesen Ohrwurm noch heute im Kopf. Auch Nina Hagen und Udo Lindenberg haben den so speziellen Berliner Ort besungen.
Wo Licht ist, ist allerdings auch Schatten. Der Bahnhof Zoo war in den 70er und 80er Jahren ein Treffpunkt der Drogenszene in Berlin-West. Auch Prostitution und Kriminalität waren hier stark vertreten. Die Zeitschrift „Stern“ veröffentlichte 1978 ein auf Tatsachen gestütztes Buch zur Situation drogenabhängiger Jugendlicher vor Ort und besonders zum Schicksal von Christiane F.. Die Geschichte wurde auch verfilmt. Das Buch von Kai Hermann und Horst Rieck mit dem Titel „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ wurde zum erfolgreichsten Sachbuch der Nachkriegszeit, gelangte in alle Provinzen der Bundesrepublik und wurde Lesestoff für die Schule.
Heute ist der Bahnhof Zoo ziemlich „clean“. Vor einigen Jahren wurde er für 100 Millionen Euro saniert. Geblieben sind die Obdachlosen, die hier wie in vielen Stellen von Berlin-Mitte ihr Lager aufschlagen und die bei der Bahnhofsmission nebenan in der Jebenstraße Hilfe suchen. Der Bahnhof Zoo ist immer noch ein rauer Ort. Ein Treffpunkt vieler Lebensschicksale in der Großstadt.
Und sonst so? Was gibt’s nebenan?
Vom Bahnhof Zoo gelangt man natürlich in den Zoologischen Garten, in den Zoo, wie die Berliner sagen. Dieser ist der älteste noch bestehende Zoo Deutschlands und wirklich einen Besuch wert. In dieser Oase der Erholung mitten in der Großstadt sind auf 33 Hektar großer Fläche 20839 Tiere aus rund 1115 Arten zu sehen. Darunter sind neben Exoten auch vom Aussterben bedrohte Tierarten zu finden. Besonders mit Kindern ist der Besuch im Zoo und im Aquarium nebenan ein fast ein Muss.
Wem weniger nach Natur als nach Kunst der Sinn steht, der findet im Museum für Fotografie, das auch die Helmut Newton Foundation beherbergt, immer Neues und Interessantes. Das Museum ist ein Publikumsmagnet für Besucher aus aller Welt. Über eine Million Besucher zogen in den letzten Jahren die Ausstellungen an. Fotografien von Helmut Newton, seiner Frau Alice Springs und ihren Weggefährten sind in einer ständigen Dauerausstellung im ersten und zweiten Stock zu sehen. „Helmut Newtons Private Property“ und „Helmut Newtons: Sex and Landscapes“ sind die Titel der Präsentationen. Man erreicht das Museum sozusagen über den Hintereingang des Bahnhofs Zoo, während der Berliner Zoo über den Vordereingang zu finden ist.
Busse verkehren ebenfalls vom Bahnhofsvorplatz.
So kann man den Bahnhof Zoo sehr gut als Ausgangspunkt für einen Berlin-Tag benutzen. Der Breitscheidplatz mit der Gedächtniskirche, der Kurfürstendamm, das Bikini-Haus und das KaDeWe für Einkaufsbummel sind nicht weit. Vielleicht sollte man trotzdem einen Moment hier innehalten – um nachhaltig etwas von Sein und Nichtsein des Bahnhofs zu erspüren.