Das Schauspielhaus Bochum gehört zu den renommierten und geschätzten Theatern in Deutschland. Mitten im Ruhrgebiet gelegen wurde hier mehrfach Theatergeschichte geschrieben.
„Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es besser, viel besser, als man glaubt…“ so singt Herbert Grönemeyer 1985 in seinem bekannten Lied über seine Heimatstadt Bochum. Die Stadt hat einen berühmten Leuchtturm: das Schauspielhaus Bochum, eines der bekanntesten Theater Deutschlands, ein kulturelles Aushängeschild.
Hier findet Schauspiel statt. Da ausschließlich diese Sparte existiert, werden die Kräfte, auch im Budget der Stadt, zentral für das Sprechtheater gebündelt. Man macht hier Theater für die Bevölkerung, für die Stadt, in deren Mitte neben der Fußgängerzone sich das Theater befindet.
Nachdem bei einem Luftangriff im November 1944 das Theater bis auf die Grundmauern zerstört wurde, baute man direkt von 1945 bis 1953 ein neues Theater, das heutige Schauspielhaus Bochum. Ab den 1950er und 1960er Jahren etablierte der damalige Intendant Hans Schalla die Aufführungen moderner Autoren wie Jean Paul Sartre und Samuel Beckett. Zusammen mit seinem bewährten Mitstreiter, den Bühnen- und Kostümbildner Max Fritzsche entstand so der „Bochumer Stil“, der nicht nur in Deutschland für Furore und nachfolgend für einen steigenden Anteil von Gastspielen sorgte. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine minimalistische Spielweise in minimalistisch gestalteten Räumen, die an den Expressionismus erinnert.
1972 wurde Peter Zadek Intendant und in Bochum wurde das Regietheater neu erfunden. Auch ein Grund: er holte Regisseure an das Schauspielhaus, die neue Farben des Theaters aus Großbritannien mitbrachten. So fand auch das „Anti-Theater“ von Rainer Werner Fassbinder einen Platz auf der Bühne. Zadek ging noch weiter: er änderte das Abonnement-System, führte offene Proben ein und gestaltete das BO-Kino. Hier im Westen entwickelte Zadek seine langjährige Verbundenheit mit dem Darsteller vieler folgenden Inszenierungen: Ulrich Wildgruber. Zu legendären Aufführungen in der Zeit gehören „Kleiner Mann, was nun?“ nach Hans Fallada und „Hamlet“ in der BO-Fabrik. Zadeks Theaterzeit wird von Zeitgenossen oft so resümiert: „Mit Zadek gingen die Anzüge und kamen die Jeans ins Theater.“ Das Theater wurde für alle nahbar, greifbar und benutzbar. Man konnte da leben.
1979 wird Claus Peymann Intendant und sorgt bis zu seinem Abschied 1986 für eine weitere Glanzzeit in der Geschichte Bochums. Das Bochumer Ensemble mit Stars wie Gert Voss, Kirsten Dene und Traugott Buhre gilt zu der Zeit als das innovativste Theater der Bundesrepublik. Es wurde zweimal als „Theater des Jahres“ gewählt und mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Bochums Theater war zukunftsweisend. Peymann, sein Dramaturg Hermann Beil und das gesamte Leitungsteam setzen Schwerpunkte auf Uraufführungen aktueller Autoren (beispielsweise Heiner Müller, Peter Turrini; Gerlind Reinshagen, Thomas Bernhard) und auf moderne Umsetzungen klassischer Dramen.
George Tabori, der universale Theaterkünstler, konnte hier eine künstlerische Heimat finden. Seine Stücke „Jubiläum“ und „Peepshow“ wurden hier uraufgeführt. Weitere prägende Inszenierungen dieser Jahre sind unter anderem „Die Hermannsschlacht“ von Heinrich von Kleist oder „Der Weltverbesserer“ von Thomas Bernhard mit Bernhard Minetti.
1986 wird Peymann an das Burgtheater Wien gerufen. Sein Nachfolger wird Frank-Patrick Steckel. Er schlägt eher ruhigere Töne an, Sein Theater ist gedankenvoll, leiser und er holt die Regisseurin Andrea Breth und den Regisseur Jürgen Gosch erstmals nach Bochum. Ihnen folgt die Choreografin Reinhild Hoffmann. Zum ersten Mal wird die Zeche Eins bespielt.
Als Kontrast kann Leander Haußmann gesehen werden, der 1995 nach Bochum kommt und mit seinen 36 Jahren zu Deutschlands jüngsten Intendanten wird.
Er wollte ein Theater der modernen Popkultur zu schaffen, was auch den Nerv der jüngeren Zuschauer trifft. Seite an Seite mit seinen Regisseuren Jürgen Kruse und Dimiter Gotscheff liefert er Aufführungen wie „Die Vaterlosen“ von Anton Tschechow oder Haußmanns Uraufführung „Germania 3“ von Heiner Müller. Diese Intendanz bestand bis 2005. Danach folgten weitere Epochen unterschiedlicher künstlerischer Leiter.
Der Niederländer Johan Simons, ein Theatermacher und Regisseur, ist seit der Spielzeit 2018 / 2019 Intendant des Schauspielhauses Bochum. Für ihn ist die Bühne Bochums das Stadttheater des 21. Jahrhunderts, hier können und sollen alle Kunstformen ihren Platz finden. Kern des Theaters ist ein festes Schauspielensemble aus allen Ecken Europas und der Welt, das seine Diversität einbringt. Auch hier gibt es aufregende Neuinterpretationen alter Klassiker, aber auch Stückeentwicklungen und Uraufführungen zu entdecken. Unter Simon hat sich das Oval Office im Keller des Schauspielhauses zu der Anlaufstelle für moderne Medienkunst entwickelt und ist offen zugänglich. Zum ersten Mal seit langem wird die Zeche Eins / Theaterrevier wieder bespielt.
Produktionen des Schauspielhauses Bochum gastieren in anderen Theatern in Deutschland und Europa und werden zu internationalen Festivals eingeladen.
Besonders spektakulär und vielfach preisgekrönt war 2019 „Hamlet“ von William Shakespeare mit Sandra Hüller in der Titelrolle.
Am Beispiel des Schauspielhaus Bochum zeigt sich wie wichtig und prägend Ensembletheater, die kontinuierliche Zusammenarbeit einer Truppe von Schauspielern, Regisseuren, Dramaturgen, Bühnen- und Kostümbildnern über einen langen Zeitraum hin ist. Im Gegensatz zum schnelllebigen Event, dem einmaligen Ereignis, zeigen sich die Werte für eine Stadt, für ein Publikum in Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Wirkung.