Wer kann unter Wasser fünf Minuten die Luft anhalten, Ohren und Nasen verschließen, schwimmen wie ein Weltmeister und auf dem Rücken treibend Muscheln knacken? Der Fischotter bleibt selbst unter Wasser trocken und hat in Schleswig-Holstein längst die Küste zurückerobert; wir besuchen ihn in Tönning in Nordfriesland.
Es sind etwa 10 Prozent seiner Tageszeit, die der Fischotter für Fellpflege verwendet. Ein Verhalten, was man ansonsten eigentlich nur von Teenagern kennt. Aber im Fall der Fischotter ist das überlebenswichtig: Anders als Robben, die unter ihrer Haut eine enorme Fettschicht als Schutz gegen die Kälte des Wassers und des Windes haben, kann der Fischotter damit nicht punkten. Seine Isolation bildet der Fischotter in seinem unglaublich dichten Fell mit einer darin eingefangenen Luftschicht. Bis zu 70.000 Haare pro Quadratzentimeter hat er und da kann man sich gut vorstellen, dass das einen enormen Aufwand für die Fellpflege bedeutet. Beim Menschen sind es nur knapp über 100 Haare auf so geringer Fläche. Außerdem ist das überwiegend bräunliche Fell des Fischotters wasserabweisend und so bleibt der vielen Menschen so sympathische Räuber aus der Familie der Marder auch unter Wasser nahezu trocken und kühlt nicht aus. Dass die Haare eines Fischotters so eng beieinander sein können, liegt an einer besonderen Verzahnung, bei der ähnlich wie bei einem Reißverschluss eine feste Verbindung zwischen den feinen Härchen besteht.
Der Weg zum Multimar Wattforum führt an der Eider entlang
Unser Ausflug bringt uns hoch in den Norden. Dorthin, wo die Eider südlich der Halbinsel Eiderstedt in die Nordsee mündet; zumindest dann, wenn das dort erbaute Eidersperrwerk nicht gerade fest verschlossen ist, um das Hinterland und das Vogelschutzgebiet Katinger Watt vor einer Sturmflut zu schützen. Die Eider oder vielmehr der heute nicht mehr existierende Eider-Kanal, der einst die Kieler Förde (und damit die Ostsee) mit der Nordsee verband, war die Lebensader von Tönning. Denn bevor Ende des 19. Jahrhunderts der Nord-Ostsee-Kanal gebaut wurde, fuhren bis zu 30.000 Schiffe jährlich durch den Eider-Kanal. Das führte zu einem enormen wirtschaftlichen Aufstieg des Ortes. Den historischen Hafen gibt es noch heute. Die 5000 Einwohner zählende Stadt, die in ihrem sympathischen Stadtwappen einen auf einem treibenden Fass balancierenden Schwan abbildet, war einst einer der wichtigsten Nordseehäfen. Die Anfänge für die Planungen des Eider-Kanals, der in den ersten Jahrzehnten nach seiner Fertigstellung noch Schleswig-Holstein-Kanal hieß, gehen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Er wurde aber dann erst im Jahr 1784 fertiggestellt und sollte gut einhundert Jahre Bestand haben. Heute verbindet der drei Kilometer lange Gieselaukanal die Eider mit dem Nord-Ostsee-Kanal, der sich einen Großteil des alten Eider-Kanals einverleibt hat und in die viel besser schiffbare Elbe mündet. Während wir uns also noch im Reisebus sitzend Gedanken über die Infrastrukturprojekte der damaligen Zeit machen, erreichen wir den Zielort. Wir biegen auf einen großen Parkplatz, der direkt in der Nähe der Bundesstraße (B5) und der Eider liegt. Von ihm aus führt ein Fußweg, der eine leichte Kurve beschreibt, mit sehr geringem Anstieg auf den Bau mit viel Glas und Stahl zu. Architektur vom ausklingenden 20. Jahrhundert halt. Geschmacklich sind die 90-er Jahre bekanntlich umstritten. Das Gebäude wurde inzwischen so modernisiert, dass es über Aufzüge, ein barrierefrei zugängliches Restaurant und eben solche Toiletten verfügt. Willkommen im Multimar Wattforum!
Der Fischotter ist der Star im Multimar Wattforum
Im Multimar Wattforum gibt es nicht nur Fischotter zu bestaunen. Die seit 2023 bestehende Anlage für Fischotter ist nur die spektakulärste (und auch teuerste) Erweiterung des größten und wichtigsten nordfriesischen Ausstellungsortes zum Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Sie war tatsächlich umstritten und die Presse titelte Schlagzeilen wie Neun Millionen Euro für Drei Fischotter. Schön auch die Schlagzeile Schotter für die Otter. Nun, wo das 2000 Quadratmeter große Außengelände mit neu angelegtem Teich und das neue Gebäude errichtet sind, herrscht aber auch viel Begeisterung bei den etwa 200.000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr. Das liegt sicherlich auch daran, dass sie aus dem Neubau heraus die bei der Fütterung nach Fischen tauchenden Fischotter hautnah beobachten können. Das Glück haben Sie nun bei einem Besuch im Multimar Wattforum auch. Es lohnt sich also während der Fütterungszeit (13.00 Uhr) vorbeizukommen, da die gewandten Über- und Unterwasserraubtiere durchaus schüchtern sind und sich ansonsten auch auf dem für die Fischotter sicher schönen Gelände verstecken und zurückziehen können. Dort widmen sie sich dann wohlmöglich dem Verspeisen eines großen Fisches (dafür richten sie sich selbst Futterplätze ein) oder, wir erwähnten es bereits, der intensiven Fellpflege. Da der Fischotter die Lebensräume Land, Wasser und Küste verbindet, hat er seine Daseinsberechtigung hier in der Ausstellung unweit der Deiche und der Nordsee. Der Fischotter kommt nicht nur mit dem Süßwasser in Auwäldern klar oder an bayrischen Fischteichen, sondern er wird zunehmend auch wieder im Nordosten Deutschlands in Küstennähe und an Flussläufen gesichtet. Er gilt als gefährdete Art in Deutschland und darf entsprechend nicht bejagt werden. Sein Pelz hat ihm an vielen Orten der Erde fast das Ende beschert; nur durch Schutzmaßnahmen konnte sein Überleben gesichert werden. Allerdings kommt heute jeder zweite Fischotter im Straßenverkehr um. Um zu seinem Bau zu gelangen, überquert er viele Straßen, da er keine über Wasser führenden Brücken unterquert; es sei denn, Naturschützer bauen ihm eigens kleine Otterbrücken, was tatsächlich vielerorts inzwischen geschieht. Seinen Bau übernimmt er oft von Nutrias oder Bibern. Manchmal gräbt er ihn aber auch selbst mit den hervorragend zum wendigen und schnellen Schwimmen geeigneten Pfoten mit den großen Schwimmhäuten. Um in einen Fischotterbau in freier Wildbahn zu gelangen, muss man tauchen, der Eingang liegt bevorzugt unter der Wasseroberfläche. Im Inneren liegen die Aufenthaltsräume des wendigen Fischotters dann höher; schließlich kann er maximal 5 Minuten die Luft anhalten; seine Tauchgänge dauern in der Regel eher zwei bis drei Minuten. Und genau diesen Schwimmsport der stromlinienförmigen Räuber können Sie vor der tollen Panoramascheibe im Multimar Wattforum beobachten.
Führungen im Multimar Wattforum – dem Fischotter ganz nah
Wenn wir dem Fischotter im Rahmen einer ganzjährig möglichen Führung nachspüren wollen, dann kommen zu den 15 € Eintritt (ermäßigt 10 €) jeweils noch 3 € hinzu. Das besondere ist, dass Führungen auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten zwischen 10.00 Uhr und 17.00 Uhr möglich sind. Natürlich ist es gerade toll, wenn Sie dann schon ein wenig vorbereitet sind; schließlich haben Sie dann nicht mehr die Zeit, sich vor Ort gründlich einzulesen. Daher verraten wir Ihnen noch ein paar Sensationen aus dem Leben eines Fischotters: Männchen sind echte Einzelgänger, Weibchen hingegen leben auch in Gruppen oder mit den Jungtieren zusammen. Auch in Tönning im Multimar Wattforum leben aktuell drei Weibchen. Im Freiland werden Otter in der Regel nicht älter als 10 Jahre, im Gehege können sie bis zu 20 Jahre alt werden. Schwimmstreifzüge unternimmt er nachts und allein. Erstaunlich ungeschützt startet ein Fischotter ins Leben: Er ist zunächst blind und öffnet erst nach einem Monat die Augen. Noch einen weiteren Monat dauert es bis er sich aus seinem Bau traut und dann lernt er bei der Mutter das Jagen. Nicht nur Fische stehen dabei auf dem Speiseplan. Auch Kleinsäuger, Amphibien, Vögel, Vogeleier und Insekten lässt sich der durchaus niedliche Jäger schmecken.
Der historische Hafen von Tönning liegt in Laufentfernung zum Multimar Wattforum
Wenn Sie nicht in der Kantine vom Multimar Wattforum essen wollen, können Sie im Anschluss an den Besuch auch noch einen Spaziergang zum historischen Hafen machen. Dafür gehen Sie nicht über den Hinweg die etwa 300 Meter zurück zum Reisebus, sondern in entgegengesetzte Richtung in etwa genau so weit. Vielleicht können Sie ja vereinbaren, sich später am alten Hafen abholen zu lassen. Dort angekommen gibt es jedenfalls das Café Hafenblick sowie ein, zwei Hotels, die ebenfalls Gastronomie und einen Freisitz anbieten. Am Hotel Zum Goldenen Anker können Sie beispielsweise auch zwei oder drei Tische reservieren und somit mit einer Gruppe mittlerer Größe Platz nehmen. Dort bekommen Sie dann von der Fisch- oder Krabbensuppe bis zur gemischten Fischplatte alle, was Ihr Fischotterherz begehrt. Lassen Sie es sich schmecken und noch viel Freude bei den Erkundungen in Nordfriesland. Gar nicht so weit weg und auch an der Eider liegt Friedrichstadt, das mit seinen zahlreichen Grachten und Brücken fast schon niederländischen Charme entwickelt.
Hinweise
Zum Multimar Wattforum finden Sie am besten entlang der B5, die in Verlängerung der A23 von Süd nach Nord verlaufend auf die Halbinsel Eiderstedt führt. Nach Überquerung der Eider sind Sie bereits in dem etwa 5000 Einwohner zählenden Ort Tönning.
Das Multimar Wattforum hat die Adresse: Dithmarscher Str. 6a, 25832 Tönning.
Für die Vereinbarung von Führungen (auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten) wenden Sie sich bitte an das Infotelefon unter der Rufnummer: 04861-96200. Unter der E-Mail-Adresse info@multimar-wattforum.de ist der Ausstellungs- und Erlebnisort ebenfalls zu erreichen. Ebenso über das Online-Formular der Homepage des Multimar Wattforums.
Geöffnet ist täglich von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr. An Heiligabend bleibt geschlossen. Da feiern die Fischotter allein im Multimar Wattforum – wir tippen auf Forelle Blau als Weihnachtsessen.
Das Hotel mit Restaurant Zum Goldenen Anker am historischen Hafen von Tönning finden Sie Am Hafen 32 in 25832 Tönning. Kontakt: 04861-218 oder per E-Mail: info@hotel-goldener-anker.de / Auch hier gibt es reichlich Fischgerichte.
Sehenswert
An dieser Stelle empfehlen wir Ihnen ausnahmsweise mal die Nutzung digitaler Medien. Bei sozialen Plattformen wie Youtube oder Instagram finden Sie viele sympathische Videos, Berichte und Dokus zu Fischottern. Oder auch einfach ganz besonders niedliche Exemplare; Fischotter haben sich neben Katzen zu wahren Internethelden entwickelt.