In den schönen Frühlingstagen zieht es uns hinaus ins Grüne. In der Hauptstadt gibt es zahlreiche Oasen. So auch in Berlin-Wannsee. Kunst, Natur und viel Stoff zum Nachdenken kann man hier entdecken.
Bereits die Anfahrt mit dem Bus, hier der BVG, ist an einem Freitagnachmittag beschaulich. Die Fahrzeuge sind sauber, wenige Leute sind unterwegs, es gibt ausreichend Platz im Bus und die Fahrgäste sind entspannt. Einige Schulkinder sind unterwegs, ein paar Ausflügler. Sind wir in Berlin? Ja, tatsächlich, im Südosten! Wir besuchen heute die Villa, das Sommerhaus des berühmten Malers und Grafikers Max Liebermann. Liebermann lebte von 1847 bis 1935 und gehörte zusammen mit Lovis Corinth und Max Slevogt zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Impressionismus. Zudem sind seine Bilder einfach sehr schön. Die meisten scheinen mit leichter Hand gemalt zu sein und zeugen dennoch von einem genauen sozialen Blick auf den Menschen und seine Lebensverhältnisse.
Besonders seine Bilder, die hier im Sommerhaus am Wannsee entstanden, haben eine wundervolle Strahlkraft und leuchtende Farben.
Ein Schloss am Wannsee und Liebermanns berühmter Satz
Im Jahr 1909 ließ er sich das Refugium am Wannsee bauen, das er stolz sein „Schloss am See“ nannte. Die charmante Villa wurde im Stil des Neoklassizismus erbaut. Hier abseits des exponierten Familienwohnsitzes am Pariser Platz 7, direkt neben dem Brandenburger Tor, fand er die nötige Ruhe und Inspiration für sein Spätwerk. Mehr als 200 Gemälde entstanden hier.
Ab 1914 verbrachte Liebermann mit seiner Familie die Sommermonate am Wannsee. Seine Familie, das waren seine Frau Martha, seine erwachsene Tochter Katharina, genannt Käthe, verheiratete Riezler, die mit dem Enkelkind Maria oft zu Besuch kam. Liebermann war ein hoch anerkannter Maler zu der Zeit und von 1920 bis 1932 Präsident der Akademie der Künste. Der bekannteste Satz, der von Liebermann bis heute überliefert ist und zum geflügelten Wort wurde, ist: Ick kann jar nich sovillle fressen, wie ick kotzen möchte. Diesen Ausspruch tätigte er am Tag der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933, als diese mit Fackelzügen an seinem Haus am Brandenburger Tor vorbeizogen. Doch dazu später.
Schönheit und Schrecken. Ick kann jar nich so ville fressen, wie ick kotzen möchte.
Es könnte hier eine heile Welt sein, eine Wunderwelt. Der Garten der Liebermann-Villa ist einer der berühmtesten Reformgärten Deutschlands. Es gibt einen Bauerngarten, einen Staudengarten, einen Nutzgarten, eine Blumenterrasse, drei Heckengärten und eine große englische Rasenfläche, die sich bis an das Ufer des Wannsees zieht. Liebermann schuf hier gemeinsam mit dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, einem großen Gartenspezialisten, ein einmaliges Gartenensemble. Eine Verbindung von klassischer Villenarchitektur und üppiger Gartenkunst, bäuerlichem Wirtschaftsgarten und städtischem Hausgarten.
Wenn nicht heute über all dem Zauber ein großer Schmerz, ein schlimmes Ende liegen würde. Zum Ende seines Lebens musste der große Maler, der Jude war, erleben, wie die Nazis an die Macht kamen. Er legte sein Amt als Präsident der Preußischen Akademie der Künste nieder, konnte vierzehn seiner wichtigsten Bilder in der Schweiz deponieren und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Einzig Käthe Kollwitz suchte Kontakt zu ihm. Er sagte: Ich lebe nur noch aus Hass… ich schaue nicht mehr aus dem Fernster dieser Zimmer – ich will die neue Welt um mich herum nicht mehr sehen. Am 8. Februar 1935 starb Max Liebermann in seinem Haus am Pariser Platz. Die Totenmaske machte Arno Breker, der Hitlers bevorzugter Bildhauer wurde. Die Teilnahme an seiner Beerdigung wurde von der Gestapo verboten. Dennoch kamen ca. 100 Freunde, Malerkollegen und Verwandte zum Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee. In der Totenrede wurde gesagt, man trage nicht nur den großen Künstler Liebermann zu Grabe, sondern eine ganze Epoche.
Wie ging es mit der Liebermann-Villa weiter? Wie wurde sie, was sie heute ist?
Martha Liebermann, seine Ehefrau, wurde gezwungen, die Villa am Wannsee an die Reichspost zu verkaufen. Auf das Geld hatte sie zudem keinen Zugriff. Sie starb am 10. März 1943, am Tag vor ihrem Abtransport in das KZ Theresienstadt, an einer Überdosis Schlaftabletten. Es gab keinen Ausweg. Zu Marthas Geschichte gab es kürzlich den Fernsehfilm „Martha Liebermann. Ein gestohlenes Leben“, der erfolgreich in der ARD lief und derzeit noch in der Mediathek zu sehen ist.
Was lehrt uns die Geschichte der Familie Liebermann? Niemand, sei er noch so begabt, so tatkräftig, so erfolgreich, ist vor Tragik gefeit. Das heißt nicht, dass man sich tatenlos dem Schicksal ergeben soll, im Gegenteil. Ein kleines Beispiel dafür ist die weitere Geschichte der Liebermann-Villa.
Nach 1945 erhielt Marthas Tochter Käthe Riezler die Villa zurück und vermietete es zunächst an das Land Berlin. Das ehemalige Kleinod wurde zunächst Krankenhaus, dann Tauchklub. Man kann sich nur an den Kopf fassen. Liebermanns Enkelin Maria White, die so häufig von ihrem Großvater im Garten gemalt worden ist, lebte in den USA und verkaufte schließlich 1958 Villa und Grundstück an das Land Berlin. In fast sechzig Jahren Fremdnutzung wurde das Haus mehrfach umgebaut und der Garten fast vollständig zerstört.
1995 wurde die Max-Liebermann-Gesellschaft gegründet und das Haus unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2006 laden Villa und Garten zum Besuch ein. Es ist einzig beispielhaftem bürgerschaftlichen Engagement zu verdanken, dass Haus und Umfeld wieder hergestellt wurden und heute so glanzvoll der Öffentlichkeit präsentiert werden können.
Was ist das, dass solche einzigartigen Orte der Kunst und der Geschichte klaglos dem Verfall preisgegeben werden? Vielleicht ist es neben fehlendem historischen und künstlerischen Bewusstsein Scham und Schmerz darüber, dass unsere Eltern und Großeltern solche epochalen Verbrechen zugelassen haben. Zum Glück gibt es Menschen, die sich den Sachen stellen, nicht Ruhe geben und weitermachen.
Besuchen Sie die Liebermann-Villa am Wannsee. Es gibt auch Gelegenheit, die vielfältigen Eindrücke auf sich wirken zu lassen und zu reflektieren. Im Café Max gibt es herzhafte Tartes, feine Kuchen und trotz allem friedliche Ausblicke. Man kann sehen, was bürgerschaftliches Engagement hervorbringen kann.
Das Haus der Wannseekonferenz. Deutsche Verbrechen ohne Gleichen
Anschließend oder zuvor empfiehlt sich, das Haus der Wannseekonferenz, das sich ein paar Häuser weiter befindet, zu besuchen. Hier wurde am 20. Januar 1942 die Vernichtung und Ermordung aller europäischen Juden beschlossen, geplant und im Detail organisiert. Fünfzehn hochrangige Vertreter der SS und der NSDAP trafen sich unter Führung des SS-Obergruppenführers Reinhard Heydrich zu einer geheimen Besprechung mit anschließendem Frühstück. Heute befindet sich hier eine Gedenk- und Bildungsstätte. Ich kann schwer beschreiben, was man beim Anblick dieses Ortes der Verbrechen der Menschheitsgeschichte, die von Deutschland ausgingen, empfindet. Jeder sieht und hört, jeder erfährt etwas anderes. Ich kann nur sagen, dass genau dieser Widerspruch und der Zusammenhang von so friedvoller Landschaft und unsagbarem Grauen nicht zu trennen ist. Leider. Bitte machen Sie sich selbst ein Bild. Wider das Vergessen!