Wenn Sie etwas Zeit haben, könnten Sie mit dem Bus, einem normalen Linienbus, durch Berlin gondeln. Sozusagen spazieren mit dem Bus. Von Pankow über Wedding und Moabit nach Charlottenburg. Wäre das was? Was gibt es da zu sehen?
Busfahren gehört für die meisten Berlinerinnen und Berliner zum Alltag. Manche vermeiden es auch und fahren lieber Fahrrad, Auto oder Taxi. Jeder hat so seine Vorlieben. Es gibt allerdings auch die großen Doppeldeckerbusse mit den Nummern 100 und 200. Diese sind bei Touristen sehr beliebt, denn sie fahren an den bekannten Sehenswürdigkeiten wie dem Haus der Kulturen der Welt, dem Brandenburger Tor und dem Alexanderplatz vorbei. So kann man mit einen BVG-Fahrschein einiges zu sehen bekommen.
Am besten in der 1. Reihe. Der M27 tagsüber alle 6 Minuten
Auch mit ganz anderen Buslinien kann man die Stadt entdecken. Zum Beispiel mit der Linie M27. M bedeutet Metrobus. Dieser kommt ungefähr alle 6 Minuten. Das ist eine gute Taktung, denn langes Warten fällt weg. Trotzdem ist der Bus meistens voll. Daher empfiehlt es sich natürlich auf die Tageszeit zu achten. Am Morgen zwischen acht und zehn Uhr ist der Bus voll, mit Schülern und Menschen, die zur Arbeit fahren. Nachmittags gegen 16 Uhr erst recht. Aber gegen 18 Uhr wird es schon leerer und es kommt einfach auf einen Versuch an. Soll ich Ihnen meine Busfahr-Strategie verraten? Ich steige beim Fahrer ein und versuche, auf einem der drei vorderen Plätze einen Platz zu finden. Hier ist man meist ungestört und kann am besten aus dem Fenster schauen.
Im Bus kann nämlich sehr voll werden. Im Mittelteil ist Platz für fünf Kinderwagen oder Rollstühle. Die Berliner Busse sind also barrierefrei zu benutzen. Der Fahrer steigt, wenn ein Rollstuhlfahrer kommt, der mitfahren möchte, aus und klappt von außen eine Rollstuhlrampe aus dem Bus. Das geht schnell, macht aber ziemlich Krach. Merke, in den Berliner Bussen kann es voll und laut sein. Man achte möglichst auf die Tageszeit. Dann kann man hier einiges erleben.
Berlin, die Stadt der Kontraste. Von Pankow nach Wedding
Die Fahrt beginnt am S- und U-Bahnhof Pankow. Berlin-Pankow ist ein bürgerlicher Bezirk. Hier geht es gediegener zu als in manchen anderen Berliner Stadtteilen. Man kann hier einen Einkaufsbummel in inhabergeführten Geschäften machen, es gibt hier noch Schreibwarengeschäfte, Haushaltswarengeschäfte, Buchhandlungen, einen Lampenladen und ein Kinderschuhgeschäft. Über den Wochenmarkt flanieren und in den bekannten Parks spazieren gehen, dem Bürgerpark und dem Schlosspark. Oder eben den Bus nach Wedding und Moabit nehmen.
Dabei fährt man durch gemütliche Gegenden mit den bekannten großzügigen Berliner Gründerzeithäusern. Über die Florastraße, hier gibt es Cafés und Blumenläden bis zum S-Bahnhof Wollankstraße. Hier verlief einst die Grenze, die Berliner Mauer. Pankow war Ostberlin und DDR, Wedding West-Berlin und Bundesrepublik. Heute ist davon nichts mehr zu merken und zu sehen. Allerdings wird die Gegend deutlich rauer. Man sieht kaum kleine Geschäfte, dafür große Lidl und Penny Supermärkte. Als ob hier nichts anderes geht außer Dönerbuden und Spielhallen. Aber eben auch eine auffällig große prächtige Kirche, die Stephanuskirche. Davor steht ein kleiner Eiswagen, der auch Café verkauft und im Winter Crêpes. Weiter durch die unwirtliche Prinzenallee im Stadtteil Gesundbrunnen, wo es einen berühmten marokkanischen Fleischer gibt, zum U-Bahnhof Pankstraße an der Kreuzung Badstraße. Hier steppt der Bär. Die Filiale der Deutschen Bank hat geschlossen, die gibt es nicht mehr. Ein großes Orthopädiegeschäft ist noch da. Also keine Bank, dafür Krückstöcke?
Nein, Spaß beiseite. Über allem thront die St. Pauls Kirche wie ein altgriechischer Tempel. Sie ist eine der vier Schinkelschen Vorstadtkirchen. Der verdienstvolle bekannte Architekt ließ dieses Gotteshaus um 1832 bauen. Zu den Schinkelschen Vorstadtkirchen gehören außerdem die St. Elisabethkirche in Mitte, die St. Johanniskirche in Moabit und die Alte Nazarethkirche am Leopoldplatz im Wedding. Diese vier Kirchen zu besichtigen ist allein einen Rundgang, einen großen Spaziergang wert. Sie liegen ausschließlich in ehemaligen Vorstadtbezirken und sind alle sehr sehenswert und fein. Schinkel wollte kleine Kirchen in der Nähe der Wohnorte bauen. Die Vororte waren damals besonders dicht besiedelt.
Zwischenstation in Moabit und ein Blick in die Zukunft
Weiter geht es mit dem Bus M27 Richtung Moabit. Man kommt am Amtsgericht Wedding vorbei, das am Brunnenplatz und neben der Panke, einem Flüsschen, liegt. Hier an der Panke führt ein empfehlenswerter, beschaulicher Spazierweg entlang. Falls Sie die Fahrt unterbrechen wollen. Es gibt zahlreiche Cafés, wie das Café Dujardin und das Restaurant Uferlos. Das Amtsgericht Wedding wurde 1901 bis 1906 in Stil der Neogotik erbaut. Ein Vorbild soll die Albrechtsburg in Meißen gewesen sein.
Für alle, die im Bus sitzen bleiben wollen, geht es weiter Richtung Moabit. Vorbei an der Reinickendorfer Straße mit den Gebäuden der Bayer AG, die, man muss es wirklich sagen, im Stil des Brutalismus gebaut sind. Bis 2010 gehörten die Gebäude der bekannten Berliner Firma Schering, die sie auch errichtet haben. Der Name hat sich im Volksmund für diese Werke erhalten. Mit dem Namen der Pharmafirma Schering verbindet sich 155 Jahre Berliner Industriekultur. Über einhundert Jahre wurden im Wedding Medikamente und pharmazeutische Chemikalien produziert. Trotz der beiden Kriege und der Berliner Mauer, in der Zeit verließen sehr viele Firmen Berlin, blieb Schering in der Stadt. Es war damals das einzige DAX notierte Unternehmen, das in Berlin ansässig war. Heute sieht man davon eben diese Gebäudekomplexe, die der Straßenkreuzung ein sehr unbehaustes Antlitz geben. Hier soll zukünftig ein neues, 85 Meter hohes Bürogebäude gebaut werden, das Upbeat Berlin. Es würde die bereits neugebaute Europacity, die bis zum Hauptbahnhof führt, mit Moabit verbinden und die Gegend, so wäre zu hoffen, aufwerten. Wann diese Pläne umgesetzt werden, ist derzeit noch unklar.
Jetzt kommt der Bus nach Moabit. Über die Perleberger Straße, hier fährt er an der Heilige-Geist-Kirche vorbei, die den städtebaulichen Mittelpunkt des Stephankiezes bildet, mitten durch den Stadtteil hindurch. Hier sind wieder die bekannten Berliner Altbauten zu finden. Die großzügig geschnittenen Wohnungen sind jetzt sehr gefragt. Diese gibt es übrigens auch im Wedding. Früher galten die Bezirke Wedding und Moabit als schwer vermietbar, als „Elendsbezirke“, das hat sich absolut geändert. Denn Moabit und Wedding gehören zum Bezirk Mitte und sind somit zentral gelegen.
Die Heilige-Geist-Kirche wurde 1906 im neogotischen Stil erbaut und hatte den Krieg ziemlich schadlos überstanden. Daher ist sie im Gegensatz zu den Schinkelschen Vorstadtkirchen auch innen sehr gut erhalten. Der historisierende, gotische Stil und die schöne, besondere gut restaurierte Orgel, die älteste Orgel der Firma Walcker in Berlin, machen die Heilige-Geist-Kirche in Moabit zu einer beliebten Hochzeitskirche. Eine Besonderheit ist auch, dass die Orgel über dem Altar zu finden ist.
Die Welt trifft sich in Moabit. Kulinarisch und unter Kirschbäumen
Gegenüber der Kirche ist das Gelände des ehemaligen Krankenhauses Moabit zu finden. Fährt man mit dem Bus M27 die Perleberger Straße über die Stromstraße weiter, kommt man auf die Turmstraße. Einst eine bekannte Berliner Einkaufsstraße im Norden Berlins ist sie heute, sagen wir mal immer noch, eine Einkaufsstraße, wo man alles Nötige findet. Hierhin wird aktuell die Straßenbahn vom Hauptbahnhof via dem Kriminalgericht Moabit verlängert. Auch die Heilandskirche an der Thusnelda-Allee, mit einer Länge von 50 Metern die kürzeste Allee Berlins, ist hier zu finden. Jeden Mittwoch ist hier ein beliebter Öko-Markt mit zahlreichen Imbissen. Japanische Pfannkuchen, französische Crêpes und Galettes, frischer Räucherfisch, portugiesische Pastéis de Nata, Puddingtörtchen und mehr machen die Auswahl nicht leicht. Ganz in der Nähe ist das Rathaus Tiergarten und dahinter die Arminius Markthalle. Hier findet man ebenfalls zahlreiche Spezialitäten, Restaurants und Imbisse. Sogar Ceviche aus Peru. Diese Fischgerichte sind eine uralte Tradition Südamerikas und das Nationalgericht in Peru.
Die Welt trifft sich in Moabit. Jedenfalls kulinarisch.
Auf dem Vorplatz des Rathaus Tiergarten blühen in jedem Frühjahr zehn prachtvolle japanische Zierkirschen. Sie wurden auf Initiative des ehemaligen Bezirksbürgermeisters Jörn Jensen im Jahr 2000 gepflanzt. Ursprünglich war eine Tiefgarage geplant. Dass Jensen sich hier durchgesetzt hat, ist sein Verdienst und ist ein Glück für die Menschen, die hier wohnen und vorbeikommen. Ein Naturwunder mitten in der Großstadt. Hier treffen sich Familien und Freundinnen zum Foto-Shooting oder einfach, um unter den blühenden Bäumen die Mittagspause zu verbringen.
Der Bus M27 fährt weiter durch Moabit, Richtung Beusselstraße. Hier wird es Arabisch. Man findet hier unter anderem libanesische Restaurants und Bäckereien für feine Patisserien.
Nach Charlottenburg zu Natur- und Kunstgenuss
Die Fahrt geht nun weiter durch ehemaliges Industriegelände bis zur Endstation des M27 am S-Bahnhof Jungfernheide. Hier geht man einfach über eine Brücke und ist im Schlosspark Charlottenburg. Dieser wunderbare Park bietet schier unendliche Spazierwege und das Schloss Charlottenburg Kunstgenuss und Geschichte.
Auf einer Strecke von ungefähr 12 Kilometern kann man doch einiges nachhaltig und barrierefrei sehen und erleben.