Der kleine Heinrich, Ohrringe aus Granatsplittern und ein rückgebauter Wasserturm sind die Geheimnisse im schleswig-holsteinischen Glückstadt. Aber der eigentliche Grund der Reise ist ein denkmalgeschützter Binnenhafen, der in Deutschland seinesgleichen sucht.
Dat schall glücken und dat mutt glücken, und denn schall se ok Glückstadt heten! Mit diesem Optimismus gründete Christian IV., im 17. Jahrhundert König von Dänemark und Norwegen, das heutige Stadtdenkmal Glückstadt. Und wenn gleich eine ganze Stadt den Ruf eines Denkmals hat (genau genommen gilt das insbesondere für einen geschichtlich interessanten Straßenzug am Binnenhafen), dann muss sich hier einiges entwickelt haben, was es sich auch heute noch unbedingt zu erhalten lohnt. König Christian IV. (1577-1648) ließ die Marschlandschaft eindeichen, verschenkte die ersten Grundstücke an willige Siedler und lud verfolgte niederländische Juden, Reformierte, Mennoniten, Remonstranten und Katholiken in die Stadt. Eine ähnlich blühende Entwicklung zeichnete sich ab, wie wenige Jahre später im auf ähnliche Weise gegründeten Holländerstädtchen Friedrichstadt. Der Vorteil von Glückstadt war, dass man sogar an der Elbe lag und nicht nur an der Eider. Das versprach noch mehr Handel und noch größere Aufstiegschancen. Schon im Stadtwappen prangt die nackte, nur von einem Banner umwehte Glücksgöttin Fortuna. Was sollte da schon schief gehen können.
Das Stadtdenkmal Glückstadt hat ein Brückenhaus ohne Brücke
Was also macht Glückstadt zum Stadtdenkmal? Es ist die bedeutendste Uferstraße Norddeutschlands. Der alte Salzspeicher ist ebenso erhalten wie eine Vielzahl historischer Bauten zu beiden Seiten des Binnenhafens. Insbesondere am nördlichen Ufer (also auf der Seite, auf der sich früher das Glückstädter Schloss befand) sind viele Gebäude aus dem 17. Jahrhundert stehen geblieben. Beispielsweise findet sich direkt am Wasser das 1635 erbaute Brückenhaus. Hier wohnte der Brückenwärter. Über eine heute nicht mehr existierende Klappbrücke gelangte man zur anderen Seite des Binnenhafens; hier lagen die königlichen Gärten. Das Gebäude selbst ist ein kleines kompaktes Fachwerkhäuschen. Steht man am Brückenhaus und dreht sich zur Stadtseite, kann man den schon erwähnten Wiebke-Kruse-Turm erblicken, der hinter einem im Stil des Historismus wieder aufgebauten weißen Gebäude aufragt. Der Turm ist das übrig gebliebene Baudenkmal des ersten Wohnsitzes von König Christian IV.; er schenkte den Turm samt dem heute abgerissenen Anbau seiner Geliebten Wiebke Kruse. Noch heute existieren im Schloss Rosenborg bei Kopenhagen ihre aus Granatsplittern gefertigten Ohrringe; die Granatsplitter waren dem bei einer Seeschlacht verwundeten Christian aus dem Körper geschnitten worden. Was für ein aufopferungsvolles Geschenk denken wir, während wir an einem Souvenirladen mit Krimskram vorbeischlendern.
Stadtdenkmal Glückstadt dank dänischer Krone
Während wir einen letzten Blick auf die Windfahne des Wiebke-Kruse-Turms werfen (er hat die Form eines Reichsapfels der dänischen Krone), frischt der Wind am Hafen auf. In einem der dort liegenden kleinen Segelboote blähen sich zwei kleine, noch nicht eingeholte Segel. Dann herrscht plötzlich wieder Windstille. Wir beschließen uns auf die andere Seite des barrierefrei gut erreichbaren Hafenbeckens zu bewegen. Doch vorher begutachten wir noch ein Gebäude, welches gegenüber des am Hafenbecken liegenden Restaurants Zur Alten Mühle steht. Es ist das Palais für aktuelle Kunst, ein Kunstaustellungsraum des Glückstädter Kunstvereins. Der vornehme Name verweist auf die edle Geschichte des Hauses. Wohlhabende Händler haben dort im 19. Jahrhundert gelebt. Zuvor war es hoch gestellten Personen der dänischen Justiz vorbehalten; schließlich war das Gebäude in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch dänische Regierungskanzlei gewesen.
Der historische Binnenhafen machte Glückstadt zum Stadtdenkmal
Die repräsentativen Bauten und das nahezu geschlossene und etwa einen halben Kilometer lange Gebäudeensemble entlang des nördlichen Binnenhafens haben der Stadt den Titel verliehen, der uns neugierig gemacht hat: Stadtdenkmal Glückstadt. Einige Gebäude haben wir Ihnen jetzt vorgestellt, andere können Sie selbst entdecken, wenn Sie das 10.000 Einwohner große Glückstadt besuchen kommen. Der Binnenhafen ist mit Schleusen geschützt, wenn die Gezeiten oder eine Sturmflut das Wasser von der Nordsee aus in Richtung Hamburg in die Elbe drücken. Das Stadtdenkmal Glückstadt gehört heute zur Metropolregion Hamburg und ist sowohl von der Hansestadt wie von der Elbmündung gut 50 Kilometer entfernt. Die nahe Lage zu Hamburg war in der Geschichte Fluch und Segen zu gleich. Zum einen war es wunderbar für den Handel, andererseits konnte man letztlich nicht erfolgreich konkurrieren und so wurde die ehemalige Hauptstadt Holsteins Ende des 18. Jahrhunderts bereits wieder auf ihren nachgeordneten Platz verwiesen. Wie gemütlich sich das anfühlen kann, erleben wir heute bei unserem Ausflug mit dem Reisebus. Keine Touristenmassen, die sich durch Speicherstädte schieben, sondern ein angenehmes Spazierengehen und Entdecken im Stadtdenkmal Glückstadt.
Das Stadtdenkmal Glückstadt zieht alle Register auf dem Stadtplan
Das heutige Stadtdenkmal Glückstadt wurde sehr geometrisch geplant. Sternförmig laufen die Straßen auf einen zentralen Marktplatz zu. Den Brunnen, der hier einst stand, gibt es nicht mehr; aber an seiner Stelle steht zumindest eine schöne altmodische Straßenlaterne. Warum ausgerechnet auf dem Marktplatz Autos parken dürfen ist, ein wenig fraglich, da es doch auch hier einige prächtige Gebäude aus dem 17. und 18. Jahrhundert zu begutachten gilt. Das Kopfsteinpflaster verleiht zusätzlich historischen Charme. Geht man von hier aus in eine der zahlreichen symmetrisch abzweigenden Gassen, gibt es so manche Entdeckung. Hier sind die Häuser niedriger, ebenso liebevoll saniert wie auf dem Marktplatz und der ein oder andere Ort lädt zum Verweilen oder Fotografieren ein.
Der Wasserturm am Rande von Glückstadt
Im nordwestlichen Teil von Glückstadt (also gar nicht weit weg von der eben erwähnten Ballhausstraße) befindet sich eine weitere Sehenswürdigkeit. Wir meinen nicht das Fortuna-Bad (wie könnte das Schwimmbad in Glückstadt auch anders heißen) und auch nicht den Deichtorgraben. Aber zwischen dem Nass für Badende und dem Teich für Enten steht ein ehemaliger Wasserturm. Er wurde 1891 erbaut und mit gefiltertem Elbwasser vollgepumpt, um die Wasserversorgung in Glückstadt zu sichern und hygienischer zu machen. Erst später stieg man auf Grundwasser um. Der Turm konnte 400 Kubikmeter Wasser fassen. Den eigentlichen Wasserbehälter gibt es allerdings nicht mehr; der Wasserturm wurde zurückgebaut und somit stehen wir vor dem unteren Teil des Hauptturmes aus Backsteinen. Der Treppenturm mit seinem dunklen Kegeldach wirkt wie der verwunschene Turm eines Schlosses. So muss sich der neue Besitzer wohl auch fühlen, denn seit einigen Jahren ist der Wasserturm, der zwischenzeitlich sogar als Restaurant genutzt worden war, für die Öffentlichkeit leider nicht mehr zugänglich.
Ein Walfangboot als Namensgeber für ein gemütliches Matjes-Restaurant
Da der Wasserturm kein Restaurant mehr ist, sprechen wir Ihnen eine andere Empfehlung aus. Entweder Sie kehren in einem der Restaurants am Binnenhafen ein (die Lage ist natürlich schwer zu überbieten) oder Sie folgen uns noch einmal zum Marktplatz. Dort klemmt sich zwischen einem vierstöckigen Backsteinbau und einem ebenso großen beigen Hotel mit dem Namen Christian IV. ein kleines Gebäude. Es wirkt einladend mit seinen zwei niedrigen Etagen plus Dachgeschoss. Braune Fensterlaibungen stehen im Kontrast zur ansonsten hellen Fassade. Wir stehen vor dem Gasthof Zum kleinen Heinrich. Benannt ist das noch vor 30 Jahren als baufällig abgetane Gebäude aus dem 17. Jahrhundert nach einem Walfangboot, mit dem Glückstädter Kapitäne im 19. Jahrhundert über lange Zeit auf Walfischfang und Robbenschlag fuhren. Die frisch aufgetakelte Fregatte begrüßt uns als Abbildung über der Eingangstür zum Restaurant. Wal wird heute nicht mehr angeboten im urgemütlichen Gasthof, bei dem folgerichtig von der Küche als Kombüse sowie bei den beiden niedrigen Etagen von Ober- und Unterdeck gesprochen wird. In den Sommermonaten gibt es zusätzlich einen großen Freisitz vor dem Haus. Da das Stadtdenkmal Glückstadt auch Matjesstadt ist, lautet eine der Empfehlungen des Hauses: Matjesfilet mit Sahnemeerrettich, Wildpreiselbeeren, Sahnesoße nach Hausfrauenart und Bratkartoffeln. Wir wünschen guten Appetit!
Hinweise
Im Juni sind Matjes-Tage in Glückstadt. Auch dann lohnt ein Besuch besonders. Rechtzeitige Reservierungen sind dann besonders empfohlen.
Der Gasthof Der kleine Heinrich nimmt Reservierungen telefonisch unter der Rufnummer 04121-3636 und unter der E-Mail-Adresse info@der-kleine-heinrich.de entgegen. Montags ist Ruhetag, aber von Dienstag bis Samstag wird von 11.30 Uhr bis 22.30 Uhr warme Küche angeboten. An Sonntagen ist von 11.30 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet (Küche bis 16.00 Uhr). In den Wintermonaten schließt die Küche generell auch unter der Woche und samstags bereits um 21.00 Uhr.
Der kleine Heinrich liegt direkt am Marktplatz von Glückstadt und ist auch optisch leicht zu entdecken, wenn Sie unseren Buskompass-Artikel aufmerksam gelesen haben.
Die Adresse vom Brückenhaus lautet: Am Hafen 61, 25348 Glückstadt.
Die Adresse vom Palais für aktuelle Kunst lautet: Am Hafen 46, 25348 Glückstadt.
Der Wasserturm liegt an der Bohnstraße 3 in 25348 Glückstadt.
Glückstadt liegt etwa 50 Kilometer nordwestlich von Hamburg. Von der A23 können Sie die Ausfahrt Elmshorn nehmen und über die B431 bis nach Glückstadt fahren.
An den Wochenenden können Sie die Reisegruppe direkt am Marktplatz aus- und einsteigen lassen. Unter der Woche ist das nicht erlaubt; dann steuern Sie zum Ein- und Austeigen bitte den Parkplatz Süderfleth an. Dieser befindet sich bei Einfahrt über die B432 kurz nach dem Hafenkreisel in der Nähe der Feuerwehr. Die Adresse lautet: Am Fleth in 25348 Glückstadt.
Zum Abstellen des Reisebusses empfiehlt die Stadt Glückstadt den Multifunktionsparkplatz am Molenkiekergang hinter dem Penny-Markt im nördlichen Teil der Stadt.
Öffentliche Toiletten befinden sich hinter dem Rathaus am Markt.
Lesenswert
Es gibt einen kleinen unkonventionellen Reiseführer zu Glückstadt. Geschrieben hat ihn Anna Brüggmann und er heißt Eat Sail Love: Glückstadt-Reiseführer für Entdecker / Im Handel ist er für 5 € erhältlich und er informiert kurz und knapp über Stadtgeschichte und viele sehenswerte Gebäude (ohne Abbildungen).
Es gibt eine Taschenbuchreihe mit besonderem Schwerpunkt: Fortunae – 400 Jahre Frauengeschichte(n) in, aus und um Glückstadt; inzwischen gibt es fünf Bände und sie kosten im Handel zwischen 18 € und 24 €.