Ein Rapunzelturm steht im Hügelland an der Elbe bei Meißen. Wir erkunden einen Botanischen Garten mit seltenen Pflanzen. Und wir genießen die Aussicht von der Felskante des kleinen Spaargebirges. Haben Sie Lust auf eine kleine Wanderung mit Biergarten und Weitblick?
Rapunzel, Rapunzel, lass Dein Haar herunter. Das sind ganz unwillkürlich die ersten Worte, die einem in den Sinn kommen, wenn wir vor dem Boselturm im Spaargebirge an der Elbe stehen. Strahlend weiß hebt er sich vor grünen Baumwipfeln ab und streckt sich immerhin stolze 17 Meter in die Höhe. Die quaderförmige Gestalt wechselt beim Blick von unten nach oben bald zu einem Achteck und setzt sich dann als hellgraue Krone gegen den weiß verputzten Turm ab. Nahe der Turmspitze erkennen wir ein kleines Fensterchen; dort muss Rapunzel gestanden haben, als der Prinz vorbeigeritten kam. Angezogen vom bezaubernden Gesang der nach einem Ausdruck für Feldsalat benannten Märchengestalt der Gebrüder Grimm. Unser Reisebus hat uns heute in die liebliche Landschaft des Elbtals gebracht. Zwischen dem südöstlichen Meißen und Coswig (in der Nähe der Weinberge von Radebeul) steht der 1898 erbaute und inzwischen denkmalgeschützte Boselturm, dem wir einen Besuch abstatten.
Die Boselspitze – Höhepunkt im Spaargebirge
Das Ausflugsziel, das wir heute besuchen, gehört zu einem sogenannten FFH-Schutzgebiet. Darunter versteht man ein Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, also eine Region mit besonderem Pflanzen- und Tiervorkommen. Dazu gehören diverse Fledermausarten und Pflanzen wie das bekannte Labkraut oder der im Mai und Juni herrlich blühende Blaue Lattich. Aber zunächst fällt uns hier die besondere Landschaft auf. Ein Hochplateau aus fruchtbarem Lössboden mischt sich mit Baumbeständen und Wiesen; plötzlich fallen Kanten steil zur Elbe hin ab. Ein ehemaliger Steinbruch klafft offen in der Landschaft und hat sich zum beliebten Ausflugsziel entwickelt. Die Rede ist von der Boselspitze. Etwa 80 Meter erhebt sie sich über die Elbe, die hier auf einem Höhenniveau von etwa 100 Metern über dem Meeresspiegel demselben entgegen strömt. Allerdings ist der Weg bis zur Nordseeküste noch weit. Noch gute 700 Kilometer sind es bis hinter Hamburg.
Boselturm oder Boselspitze – Sie haben die Wahl
Vom Boselturm zur Boselspitze mit phänomenaler Aussicht über das Elbtal müssen wir laufen. Der Ausblick von beiden Standorten aus lohnt sich. Der gegen eine kleine Gebühr von 1 € besteigbare Boselturm überrascht mit seinem Blick auf herrlich grüne Bäume und auf einen lieblichen Elbabschnitt. Das ganz große Panorama gibt es dann von der Boselspitze. In Richtung Radebeul und Dresden schaut man und bei gutem Wetter auch darüber hinaus: bis in die Sächsische Schweiz mit seiner Festung Königstein am gleichnamigen großen, elbnah gelegenen Felsen geht dann der Blick. Toll ist es, dass beide so unterschiedlichen Aussichtspunkte gerade einmal 500 Meter und ein paar Höhenmeter voneinander entfernt liegen. Doch auch die sind anders als der Boselturm selbst barrierefrei überwindbar. Wenn Sie auf den zusätzlichen Spaziergang verzichten wollen, gibt es direkt am Boselturm ein Gasthaus, an dem Sie nach Absprache auch mit dem Reisebus vorfahren können. Rücksicht ist geboten, denn immerhin befinden Sie sich im FFH-Schutzgebiet. Im Gasthaus bekommen Sie Wildgulasch mit Kroketten, Sülze mit Bratkartoffeln oder auch einfachere Salate und Pommes aufgetischt. Das können Sie dann im kleinen Biergarten genießen, bei Gruppengrößen ab 10 Personen auch ganz unabhängig von den regulären gastronomischen Öffnungszeiten. Die sind freitags und samstags von 11.00 Uhr bis 22.00 Uhr und sonntags von 11.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Nehmen Sie einfach Kontakt mit dem Gasthaus Boselspitze auf; dann lassen sich die Feinheiten absprechen.
Vom Boselturm zum Botanischen Garten
Noch einen schönen Tipp wollen wir Ihnen ans Herz legen und damit auch auf das Märchen von Rapunzel zurückkommen. Wir wissen zwar nicht, ob Sie im Gasthaus Boselspitze auch Feldsalat angeboten bekommen, aber wir können zumindest Ihre Lust auf regionale Pflanzen wecken: zwischen dem Boselturm und der Boselspitze liegt der Boselgarten. Ein Botanischer Garten der Technischen Universität (TU) Dresden. Er befindet sich auf dem kleinen Höhenkamm des Spaargebirges. Angelegt wurde er schon vor über 100 Jahren von dem Biologen Prof. Drude, seines Zeichens damaliger Leiter des Botanischen Instituts der TU Dresden. Die besonderen klimatischen Verhältnisse im Elbhügelland haben anpassungsfähige Pflanzen hervorgebracht; sie müssen teilweise mit viel Trockenheit und großen Temperaturen zurechtkommen. Wo Landwirtschaft (insbesondere die Winzer) sie nicht verdrängt haben, konnten sie sich bis heute halten. Systematisch angeordnet und auf Wunsch sogar mit Führung bereitet es große Freude, fachkundig in die Vegetation der Elblandschaft eingeführt zu werden. Das nahegelegene Dresden kann eben nicht nur Kultur, sondern auch Natur. Wir hoffen, Sie haben einen fantastischen Ausflug mit kleiner Wanderung, Ausblick vom Boselturm und von der Boselspitze – und vielleicht ja sogar mit einem lehrreichen Besuch des kleinen Botanischen Gartens, der von April bis Oktober mittwochs, samstags und sonntags von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet hat.
Hinweise
Das Gasthaus Boselspitze mit Biergarten und Boselturm erreichen Sie unter der Rufnummer 03521-402757 oder unter der E-Mail-Adresse: boselspitze@t-online.de / Die Adresse lautet: Boselweg 101-102 in 01662 Meißen
Der botanische Garten der TU Dresden (Boselgarten) hat die Postadresse Auf der Bosel, 01640 Coswig / Rufnummer: 0172-3538419 bzw. E-Mail-Adresse: bot.garten@tu-dresden.de
Führungen im botanischen Garten sind nach Vereinbarung möglich
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