Es geht fair zu an der nordfriesischen Nordseeküste. Eine Kleinstadt setzt voll auf Nachhaltigkeit, regionale Produkte und bewussten Konsum. Wir besuchen die Fairtrade-Town Meldorf im westlichen Schleswig-Holstein.
Frische Eier! Frische Eier! So ruft es über den Marktplatz von Meldorf, einer 7000 Einwohner zählenden Gemeinde im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein. Frisches Gemüse und Obst aus der Region wird hier angeboten. Und weil auch die Nordsee nicht weit ist, gibt es sogar Krabben und frischen Fisch. Etwas im Hinterland zwischen den kleinen Städtchen Büsum im Norden (hier werden die Krabben gepult) und Friedrichskoog im Süden liegt der Ort, der sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Er feiert im Jahr 2024 sein zehnjähriges Bestehen in einem Netzwerk mit dem Namen Fairtrade-Towns; dabei geht es um Städte und Ortschaften, denen der faire Handel wichtig ist. Ökonomische Interessen, faire Arbeitsbedingungen und zufriedene Konsumenten sollen in ein Gleichgewicht gebracht werden. Und das gilt natürlich nicht nur bei Produkten wie Kaffee und Schokolade, die beispielsweise schon seit 30 Jahren im Meldorfer Weltladen erworben werden können. Fairer Handeln bedeutet, dass die Produzenten und ganz konkret die Arbeiterinnen und Arbeiter in fernen Weltregionen mehr Geld für ihre Leistung bekommen, als es marktüblich ist. Auch auf Arbeitsschutz und soziale Absicherungen im Unfalls- oder Krankheitsfall können solche geschlossenen Verträge Auswirkungen haben. Aber nachhaltiges Handeln beginnt eben auch schon damit, dass man das direkte Umland unterstützt – und das kann mit dem Gemüseeinkauf bei regionalen Händlern direkt in die Tat umgesetzt werden. Daher freuen wir uns, dass wir an einem Freitag mit dem Reisebus nach Meldorf gefahren sind; denn dann ist Markttag am Südermarkt direkt am Meldorfer Dom.
Der Meldorfer Dom
Der Meldorfer Dom ist übrigens das Erste, was man von Meldorf zu sehen bekommt. Mit seinem 59 Meter hohen Glockenturm leitet er den Besucher zielsicher ins Zentrum. Der Dom heißt übrigens eigentlich Sankt Johannis und entstand im 13. Jahrhundert im Stil der Backsteingotik. Allerdings musste er nach einem verheerenden Brand im Jahr 1866 wieder hergestellt werden; seitdem gibt es viele dem damaligen Zeitgeist geschuldete neogotische Elemente und auch der Turm stammt aus dieser Zeit. Es wurde aber versucht zu retten, was zu retten war. Somit könnten wir schon hier von nachhaltigem Bauen sprechen; statt abzureißen und ganz neu zu errichten wurde wiederaufgebaut und verändert. Die Entstehungsjahre fallen übrigens mit dem erstmaligen Stadtrecht von Meldorf zusammen, welches dem Ort im Jahr 1265 verliehen wurde. Erstmalig nennen wir das Stadtrecht, weil der Ort dieses im 16. Jahrhundert zeitweilig wieder verlor. Zu unbedeutend war man zu jener Epoche, ein absolutes Kuriosum. Aber wir können Sie trösten: Im Jahr 1870 erhielt Meldorf ganz offiziell sein Stadtrecht zurück. Das könnte damit zusammenhängen, dass der Meldorfer Dom gerade wieder fertiggestellt worden war.
Die Fairtrade-Town Meldorf ist auch langsame Stadt
Es gibt einen weiteren Verbund, in dem Meldorf Mitglied ist: die selbsternannte Kulturhauptstadt der Region Dithmarschen ist neben 20 anderen deutschen Städten im Netzwerk lebenswerter Städte. Weltweit gibt es etwa 250 Städte, die sich dem Prinzip der Entschleunigung, dem Erhalt alter historischer Stadtzentren und der Besinnung auf Kultur und Architektur verschrieben haben. Es sollte nicht bloß Imbissketten und lieblos gestaltete Plätze und Fußgängerzonen geben. Die Bewegung geht ursprünglich auf die italienische Stadt Orvieto zurück. Vor 25 Jahren verkündete der dortige damalige Bürgermeister, der zu den Gründern von cittaslow (langsame Stadt) gehörte, folgenden Anspruch: Wir geben uns nicht länger damit zufrieden, dass die als gesichtslose Ballungsgebiete gebauten Städte sich alle ähneln und es keine Rolle mehr spielt, in welcher wir leben. Im Hinblick auf Meldorf ist dieser Wunsch Wirklichkeit geworden, zumindest wenn wir uns auf den historischen Stadtkern rund um den Meldorfer Dom beziehen. Der Ort wirkt charmant, es gibt einen Brunnen, Kopfsteinpflaster, schattenspendende Bäumchen und wenig Hektik ist spürbar. Vielleicht hat sich der Anspruch der Ruhe und Ausgeglichenheit ein wenig auf das Städtchen und seine Bewohner am Rande des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer übertragen.
Auch Sport und Industrie machen mit in der Fairtrade-Town Meldorf
Wir empfehlen Ihnen, bei einem Stadtspaziergang die Augen offen zu halten, was das Thema Nachhaltigkeit angeht und mit den Menschen zu sprechen. So sind wir auf einen öffentlich zugänglichen Bücherschrank gestoßen, an dem kostenfrei Bücher getauscht werden können. Auch in Gesprächen haben wir allerhand erfahren. So gibt es beim Turn- und Rasenballverein Meldorf (TuRa Meldorf) auch eine Sektion, die sich dem Handball verschrieben hat. Nicht ganz unbedeutend in einem Jahr, in dem die Handballeuropameisterschaft der Herren in Deutschland ausgetragen wurde. Deutschland wurde erst im Halbfinale vom starken Team Dänemarks geschlagen. Frankreich wurde letztlich Europameister 2024 und dennoch war auch die Begeisterung in Meldorf zu spüren; schließlich hat der Verein um die 2500 Mitglieder, wovon viele auch handballbegeistert sind oder selbst Handball spielen. Warum erzählen wir Ihnen diese Anekdote? Wir wollen Ihnen aufzeigen, dass in der Fairtrade-Town Meldorf alle an einem Strang ziehen. So wurde das heimische Handballteam unlängst mit unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellten Handbällen aus Pakistan versorgt. Damit lässt es sich nun noch befreiter aufspielen für die Handballer und Handballerinnen aus Meldorf. Einer der größten Betriebe im Ort stellt Fenster und Türen her und ist dabei integrativ, was seine Einstellungspolitik angeht: Zahlreiche Menschen mit Handicap arbeiten hier. So ist es auch im Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftsmuseum, welches nur 5 Laufminuten vom zentral gelegenen Meldorfer Dom entfernt ist. Man versteht sich als Inklusionsbetrieb, schon lange arbeiten auch hier Menschen mit körperlichen und psychischen Einschränkungen. Auch bezogen auf die Besucher denkt und handelt man hier fortschrittlich: Das Museum hat sich im Bereich nachhaltiger Tourismus zertifizieren lassen; außerdem ist die Dauerausstellung barrierefrei zugänglich und behindertengerechte Toiletten und Aufzüge gibt es ebenfalls. Auch dass sich das Museum dem Thema der landwirtschaftlichen Entwicklung und der Maschinen und Geräte widmet, passt irgendwie sehr gut nach Meldorf. Neben dem Museum gibt es einen Garten mit alten Apfelsorten und in der ganzen Stadt gibt es öffentliche Flächen, bei denen Mundraub an Äpfeln und Birnen unbedingt erwünscht ist. Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Inklusion, Denkmalschutz, langsame Entwicklung, bewusste Ernährung und faires Einkaufen scheinen hier tatsächlich Hand in Hand zu gehen. Wir freuen uns über unseren überraschenden Besuch in Meldorf, der fairen und nachhaltigen Stadt hinter dem Deich.
Hinweise
Meldorf liegt etwa 15 Kilometer südlich der A23 Abfahrt Heide-Süd. Parken können Sie beispielsweise beim Meldorfer Klimapark ganz in der Nähe vom großen Meldorfer Friedhof. Von hier sind es etwa 1,5 Kilometer zu Fuß bis zum Meldorfer Dom und dem Südermarkt.
Die Pizzeria Mama Leone liegt direkt am Südermarkt 7 in 25704 Meldorf. Sie hat einen großen Freisitz und Sie können unter 04832-9787888 eine größere Gruppenbestellung in Auftrag geben. Geöffnet ist außer dienstags von 11.30 Uhr bis 14.30 Uhr und von 17.30 Uhr bis 22.00 Uhr. Aber schöner und nachhaltiger ist es natürlich, direkt die erworbenen Köstlichkeiten vom kleinen Wochenmarkt am Freitag zu probieren.
Beim Domcafé (ebenfalls am Meldorfer Dom am Südermarkt gelegen) bekommen Sie Kaffee und Kuchen als kleine Stärkung.
Das Schleswig-Holsteinische Landwirtschaftsmuseum in Meldorf liegt am Jungfernstieg 4 in 25704 Meldorf. Es ist fußläufig vom Meldorfer Dom aus zu erreichen und es hat dienstags bis sonntags von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Unter der Rufnummer 04832-979390 oder unter der E-Mail-Adresse info@landwirtschaftsmuseum.sh können Sie dort sogar Führungen anfragen. Der Eintritt kostet 4 €, Menschen mit Behinderung zahlen keinen Eintritt.
Noch mehr Information über die Fairtrade-Town Meldorf und die Region Dithmarschen bekommen Sie in der Touristeninformation Mitteldithmarschen am Nordermarkt 10 (ebenfalls beim Meldorfer Dom). Kontaktnummer: 04832-6065401 oder Sie schreiben eine E-Mail an touristinfomeldorf@mitteldithmarschen.de.
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