Was wiegt der Mond? Was bringen Sie auf die Waage? Was macht ein Waagenbauer? Wir berichten über alles, was gewogen werden kann und präsentieren Ihnen 160 Waagen in einer einzigen Ausstellung. Oschatz ist aber nicht nur Waagenstadt, sondern hat auch eine neogotische Kirche zu bieten – und ein von Gottfried Semper geschaffenes Rathaus.
Wann standen Sie das letzte Mal auf einer Waage? Gehören Sie zu den Menschen, die penibel jede Gewichtsveränderung registrieren? Oder winken Sie da lieber gleich ab und begeben sich höchstens mal beim Arzt auf die Waage? Für alle, die das Thema Wiegen interessiert, haben wir heute einen sehr informativen Ausflug in die kleine Kreisstadt Oschatz. Die am schmalen Flüsschen Döllnitz liegende Ortschaft befindet sich zwischen Leipzig und Riesa und hat ein deutschlandweit einzigartiges Waagenmuseum zu bieten. Wussten Sie beispielsweise, dass Sie bei einem Gewicht von 60 kg auf dem Mond nur 10 kg auf die Waage bringen würden? Genau genommen wäre das keiner Zauberdiät zu verdanken, sondern schlicht der Tatsache, dass die Anziehungskraft des Mondes viel geringer ist als die auf der Erde. Würde man auf einer klassischen Balkenwaage die Erde auf die eine Seite legen können, so bräuchte man 81 Monde, um auf dieselbe Masse zu kommen. Das ist doch mal eine Vorstellung, wenn Sie beim nächsten Vollmond in den nächtlichen Himmel blicken. Wir sind allerdings heute nicht mit dem Reisebus ausgefahren, um zu träumen, sondern um vieles zur Geschichte des Wiegens und des Waagenbaus zu erfahren. Willkommen in der Stadt mit langer Waagenbautradition.
Das Waagenmuseum in Oschatz in historischen Gebäuden
Das Waagenmuseum in Oschatz ist in alten Gebäuden untergebracht, die auch noch zwei weitere kleine Museen beherbergen. Das eine vermittelt die Stadtgeschichte von der prähistorischen Zeit bis zur Erwähnung im Mittelalter (seit 1394 Marktrecht) und weit darüber hinaus (Handwerk, Industrialisierung, Neuzeit). Im anderen lernen wir etwas zum einfachen Leben in der von bäuerlicher Landwirtschaft geprägten Region. Auch Weber, Schuhmacher und andere Handwerke aus vergangenen Zeiten werden hier vorgestellt. Doch angereist sind wir, um die Welt der Gewichte, Briefwaagen, Viehwagen, Kohlewaagen und Feinwaagen zu erkunden. Sie alle werden hier vorgestellt und ausgestellt. Das Waagenmuseum Oschatz hat sowohl drinnen als auch draußen im Hof ausreichend Platz, um die fast 200 Ausstellungsobjekte zeigen zu können. Mehr als die Hälfte davon sind Waagen und können teilweise sogar ausprobiert werden. Das Museum ist keinesfalls trocken und verstaubt (weder didaktisch noch wortwörtlich) und bietet im besten Sinne Interaktion und Wissensvermittlung.
Im Waagenmuseum Oschatz kommt einfach alles auf die Waage
Wissen Sie, woher das Wort Waage kommt? Und was ist der Unterschied zwischen abwiegen und abwägen? Dass der Begriff mit Bewegung zu tun hat, können Sie sich vermutlich denken. Es gibt Apothekerwaagen, Küchenwaagen, Kofferwagen. Waagen für Mehlsäcke, Autos und Personen. Wenn man erst einmal anfängt, darüber nachzudenken, ist es schier unglaublich, auf welche Vielfalt man bei dem Thema trifft. Es gibt Federwaagen, Zeigerwaagen und Balkenwaagen. Letztere gab es übrigens auch schon im alten Ägypten. Abbildungen von Balkenwaagen wurden tatsächlich neben Hieroglyphen auf steinernen Tafeln entdeckt. Da versteht man langsam, mit welchen mechanischen Fertigkeiten es damals möglich war, Pyramiden zu errichten. Hebelgesetze, Grundlagen der Mechanik und das menschliche Bestreben, herum zu tüfteln, haben den Siegeszug der Waagen eingeleitet. In Landwirtschaft, Handwerk und Handel wurden Waagen unabdingbar. Auch Gold, Silber und edle Gewürze wollten gewogen werden. Ebenso Schweine, Mehlsäcke und Schiffsladungen. Es gibt viele spannende Geschichten zu erzählen; am besten tauchen Sie einfach ein und lassen sich bildlich gesprochen dahin ziehen, absenken und hindrücken, wo Sie den Bewegungen der Waagen ausgesetzt sind.
Das Waagenmuseum Oschatz liegt mitten in der Altstadt
Nach einem Besuch im Waagenmuseum Oschatz finden Sie sicherlich noch etwas Zeit für einen kleinen Altstadtbummel. Wunderbar, dass die Hauptsehenswürdigkeiten nur ein paar Meter entfernt liegen: die Kirche St. Aegidien, das Rathaus und der Neumarkt. Auf dem gepflasterten Marktplatz steht tatsächlich ein Brunnen aus dem 16. Jahrhundert. Er fördert zwar kein Wasser mehr, aber dafür ist er überraschend farbenfroh angestrichen. Nach oben begrenzt wird er durch das Oschatzer Wappentier, einen Bären. St. Aegidien ist eine neogotische Kirche aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Spannend ist die Geschichte der Trümmer, aus denen die doppeltürmige kleine Kathedrale teilweise errichtet wurde. Eine im 14. Jahrhundert zerstörte Kirche ließ Baumaterial zurück, welches (ähnlich wie bei der Frauenkirche in Dresden) beim Neubau Verwendung fand. Mit ihren fast 75 Meter hohen Türmen überragt sie deutlich das Rathaus, das auf eine ähnlich lange Vergangenheit zurückblicken kann. Ein im 16. Jahrhundert erstmals errichteter Bau fiel zwar zur Mitte des 19. Jahrhunderts weitestgehend einem Stadtbrand zum Opfer. Aber es fand sich jemand, der über die Fähigkeit verfügte, das alte verloren gegangene in angepasster und modernerer Form wieder zum Leben zu erwecken. Kein anderer als Gottfried Semper (1803-1879), der Stararchitekt der Königlichen Akademie der bildenden Künste zu Dresden, ist für den Neubau mit dreistöckigem Aufbau zuständig gewesen. Er hat also nicht nur mit dem nach ihm benannten Opernhaus neue Maßstäbe gesetzt, sondern auch hier im kleinen Oschatz zeigt er ganz nebenbei, wie man mit einer zum Dach hin geschwungenen, gut proportionierten Fassade (sie wurde nach seinen Entwürfen um eine Etage reduziert) Glanz in eine Stadt zaubern kann. Die Wirkung kommt sicherlich auch durch die ebenfalls von Semper veranlasste und im Vergleich zu seinem Vorgängerbau enorme Erhöhung des Rathausturmes. Das Endergebnis hat uns bei unserem Besuch in Oschatz jedenfalls überzeugt.
Hinweise
Das Waagenmuseum Oschatz befindet sich in der Frongasse 1 in 04758 Oschatz. Der Eintritt beträgt 5€ (ermäßigt 3€) und nach Voranmeldung sind auch Führungen für Gruppen möglich. Dafür wählen Sie am besten die Rufnummer 03435-920285 oder schreiben eine E-Mail an museum@oschatz-erleben.de
Öffnungszeiten des Waagenmuseums Oschatz sind dienstags bis donnerstags von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr und von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Außerdem freitags bis sonntags und an Feiertagen durchgehend von 13.30 Uhr bis 17.00 Uhr.
Den Reisebus parken Sie am besten außerhalb der Altstadt. Mit einem nicht allzu riesigen Modell können Sie beispielsweise am Parkplatz Sperlingsberg an der Freiherr-vom-Stein-Promenade stehen.
Unweit des Waagenmuseums Oschatz befindet sich die Klosterklause Oschatz. Hier bekommen Sie beispielsweise bodenständige Fleischgerichte mit Steinpilzen oder grünen Bohnen. Für Reservierungen kontaktieren Sie das familiengeführte Gasthaus unter der Telefonnummer 03435-621240. Auch eine E-Mail-Adresse gibt es: info@klosterklause-oschatz.de
Lesenswert
Es gibt ein schönes Buch, das Oschatz auf Abbildungen historisch und heute gegenüberstellt. Geschrieben hat es Manfred Schollmeyer, es kostet 20€ und danach können Sie sofort vor Ort Stadtführungen geben. Das Buch des Heimatforschers heißt Oschatz, Gestern und Heute.