Wie funktioniert eine Dunkelkammer? Was ist die älteste Kamera der Welt? Warum kann es begeistern, mit alten Kameramodellen zu fotografieren?
Wir reisen zurück in die Zeit vor den Digitalkameras und den Handy-Selfies.
Wir reisen zurück zu den analogen Ursprüngen der Fotografie, ins Deutsche Fotomuseum.
Wie das Gewinde einer Spiegelreflexkamera schraubt sich der Rundweg des komplett barrierefreien und behindertengerechten Museums über drei Etagen nach oben. Ein achteckiges Glasdach, das an einen Blendenverschluss erinnert, begrenzt das Museum zum Himmel hin. Hier hindurch fällt das Sonnenlicht und mit ein wenig Fantasie wähnt man sich im Innern einer Kamera. In Wirklichkeit befinden wir uns natürlich im Deutschen Fotomuseum bei Leipzig. Strenggenommen gehört es sogar schon zum Ort Markkleeberg, aber es liegt direkt an der Pleiße, die hier von Süden kommend unmittelbar nördlich in den Leipziger Auwald fließt. Hier durchschneidet der schmale Fluss den sogenannten agra-Park und das agra-Messegelände; benannt nach der über fünf Jahrzehnte hier stattfindenden Garten- und Landschaftsausstellung. Aber das wäre schon eine Geschichte für eine separate Busreise, auch wenn sich im Anschluss an unseren Besuch im Deutschen Fotomuseum ein toller Spaziergang auf dem weitläufigen Gelände des agra-Parks anbietet. Wir begeben uns zunächst zu Fuß vom 600 Meter entfernten öffentlichen kostenlosen Parkplatz zu unserem Ausflugsziel. Alternativ dürfen Reisebusse auch direkt am Museum parken, da sich das Deutsche Fotomuseum immer über Reisegruppen freut und ab 10 Teilnehmern auch einstündige Führungen durch die Ausstellung anbietet.
Das Deutsche Fotomuseum beeindruckt durch Vielfalt
Im geräumigen Foyer des 2013 mit 1300 m² eröffneten und bald danach auf 1500 m² erweiterten Museums erwartet uns eine riesige, zwei mal zwei Meter große Reprokamera von 1895. Und das wird nur die Erste sein von unzähligen analogen und antiquarischen Reisekameras, Lochkameras, Stereokameras, Spiegelreflexkameras und vielem mehr. Insgesamt 3000 Kameramodelle seit den Anfängen der Fotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts beherbergt das Deutsche Fotomuseum in seinem Archiv. Natürlich sind die nicht alle ausgestellt, aber doch eine beachtliche und vor allem facettenreiche Auswahl begeistert uns in der Sammlung. Auf dem Rundweg, der etwas hochtrabend in seiner Spiralform an das New Yorker Guggenheim Museum erinnern soll, begegnen wir auch zahlreichen Fotografien. Sie sind Teil der etwa 500 Fotografien umfassenden Dauerausstellung Fotofaszination, aber der Schwerpunkt dieses Museums ist doch eindeutig die Geschichte der Fotografie. Techniken, Erfinder und vor allem Exponate stehen im Vordergrund. Dies ist kurzweilig aufbereitet, mitunter überraschend und faszinierend. Vor allem aber lässt sich viel lernen über Dinge und Prozesse, die man immer schon mal besser verstehen wollte.
Von den Anfängen der Fotografie
Zumindest von einem, dem ursprünglichsten Verfahren der Fotografie wollen wir hier berichten und sind uns sicher, damit Neugier auf die Ausstellung zu wecken.
Bei der Daguerreotypie (benannt nach seinem Erfinder Louis Daguerre) wurden versilberte Kupferplatten mit Jod, Brom und Chlor bedampft. Die entstandenen Silbersalze färben sich bei Belichtung dunkel. Wurden also solche sorgsam beschichteten Platten nun in einer Camera Obscura (landläufig auch als Lochkamera bezeichnet) eingeschoben, konnten sie ein Abbild der Wirklichkeit schaffen. Sobald durch das Experimentieren mit verschiedenen Beschichtungen die mitunter sehr langen Belichtungszeiten auf etwa eine halbe Minute verkürzt werden konnten, war die Porträtfotografie geboren. Verschwiegen werden soll aber nicht, dass das erste jemals gemachte Foto auf seinen Kompagnon Joseph Nicéphore Niépce zurückgeht, der 1826 noch mit Zinnplatten experimentierte und dem es schließlich gelang, den Blick aus dem Fenster seines Arbeitsfensters zu fixieren. Diese Fotografie existiert tatsächlich bis heute, allerdings ist sie nicht hier in Markleeberg zu besichtigen, sondern in Austin, Texas, USA.
Vielfalt der Fotografie
Die Ausstellung selbst ist thematisch von Etage zu Etage, von Ortswechsel zu Ortswechsel gegliedert. Die Stationen heißen Laterna Magica, Reisefotografie oder Stereofotografie. Es gibt auch eine einem Fotosalon des 19. Jahrhunderts nachempfundene Szenerie, eine Historische Dunkelkammer und in der obersten Etage wird schließlich auch das 20. Jahrhundert eingefangen. Moderne Kleinbildkameras, 1920 – 2000 oder Analoge und digitale Fotografie, 1970 – 2000 heißen hier die Ausstellungsschwerpunkte.
Von Selfies und Diaabenden
Mit einem Augenzwinkern sei bemerkt, dass sich die Selfie-Generation vielleicht wird gedulden müssen, bis noch ein Geschoss auf das Museum aufgesetzt wird. Dann fänden vielleicht auch die neusten und aufregendsten Techniken und Trends in der sich immer weiter entwickelnden Welt der Fotografie ihren Platz. Soweit wir wissen, gibt es dafür aber einstweilen keine Pläne. Bis es so weit ist, sind wir dankbar für die sehr informative Zeitreise und freuen uns bei der Rückfahrt im Reisebus vielleicht auf etwas ganz aus der Mode Gekommenes. Wie wäre es, die alte analoge Kamera, die noch in einem Schrank liegt, mal wieder in die Hand zu nehmen. Und sollte nicht jeder im Leben zumindest einmal selbst gemachte Fotos entwickelt haben – dabei ist es ja zum Glück nicht mehr notwendig, mit Quecksilber und Zyankali zu hantieren, wie es das zur Geburtsstunde der Fotografie noch war. Und wem das alles zu aufregend ist, der lädt vielleicht nach seinem Besuch im Deutschen Fotomuseum einfach mal wieder auf einen Diaabend ein. Auch völlig aus der Mode gekommen – aber schön!
Hinweise
- Die Anreise erfolgt von Süden kommend über A38 (bis Ausfahrt Leipzig-Süd) und dann weiter über die B2 bis zur Ausfahrt Goethesteig. Die letzten paar hundert Meter können Sie sich dann getrost dem Busfahrer ihres Vertrauens oder ihrem Navigationsgerät überlassen.
- Deutsches Fotomuseum
Raschwitzer Straße 11-13
04416 Markkleeberg - Wer sich stärken möchte vor der Abreise mit dem Reisebus, für den bietet sich ein Einkehren in der Parkgaststätte im agra-Park an. Es gibt eine Sonnenterrasse, eine Orangerie und Gästewünsche können auch für 30 Personen und mehr abgestimmt werden. Ein schöner Spaziergang ist es allemal. Vom Deutschen Fotomuseum aus gehen sie direkt an der Pleiße lang nach Süden, überqueren den Fluss an der ersten Brücke, gehen unter einer Bundestraße hindurch und nach etwa 100 Metern finden Sie die Parkgaststätte zur linken Hand.
- Kontakt über 03413379304 oder über catering@parkgaststaette-leipzig.de
- Adresse der Parkgaststätte: Im Dölitzer Holz 20, 04279 Leipzig
Lesenswert
- Aus dem TASCHEN Verlag gibt es ein Buch zur Geschichte der Fotografie – von 1839 bis heute. Erschienen ist es schon 2012, dafür ist es fast 800 Seiten stark und hat entsprechend viele Abbildungen.
- Wer es kompakter mag, dem kann man aus der Wissen-Reihe vom Münchener Beck Verlag das Büchlein Geschichte der Fotografie des Kunsthistorikers Wolfgang Kemp von 2019 empfehlen. Anspruchsvoll.