Joachim Ringelnatz liebte Seepferdchen und Matrosen. Der Lyriker war auch Maler und Kabarettist, hatte nie Geld und ging immer mit Humor und Satire durchs Leben! München und Berlin zählten zu seinen Lebensstationen, aber geboren wurde er in Wurzen bei Leipzig.
Über das Reisen hat er viel gedichtet, und rumgekommen ist er auch selbst viel – vor allem in Deutschland und auch ein wenig in der Welt. Von daher passt es gut, wenn wir uns heute mit dem Reisebus auf den Weg machen in die Geburtsstadt von Joachim Ringelnatz (1883-1934). Wurzen, die mittelgroße sächsische Kleinstadt in der Nähe von Leipzig hat sich ganz dem berühmtesten Sohn der Stadt verschrieben. Auch wenn Ringelnatz im fünften Lebensjahr mit seinen Eltern von hier fortging, hat sich dennoch ein engagierter Förderverein gefunden (gegründet 1992), die das Erbe des in seinen Texten schlagfertig, verwirrend, humorvoll und chaotisch arrangierenden Lyrikers hochhalten. Ein Hauch von Dada umweht ihn manchmal, aber er war auch mit Tucholsky befreundet und lebte in den Goldenen Zwanzigern in Berlin. Wenn er denn mal dort war – denn eigentlich war er viel unterwegs. Zeitlebens pleite, auch als er später verheiratet war, musste er für seine Engagements und Lesungen quer durch Deutschland oder ins benachbarte Ausland reisen.
Das Stadtmuseum Wurzen in der Ringelnatzstadt
Die Ringelnatzstadt hat wahrlich einiges zu bieten zum Thema Joachim Ringelnatz. Es gibt einen Ringelnatz-Brunnen, ein Ringelnatz-Gässchen, im Stadtmuseum findet er seinen Platz und das Geburtshaus wird im Frühjahr 2023 endgültig als Museum eröffnet. Die Fassade ist bereits weiß gestrichen und das Stadtguthaus aus dem 16. Jahrhundert präsentiert sich in neuem Glanz. Barocke Wandbemalungen sind wieder aufgetaucht und trotz denkmalgerechter Sanierung ist es gelungen, einen Aufzug einzubauen und alles barrierefrei zu gestalten. Das ist und war am aktuellen Standort der Ausstellung zu Joachim Ringelnatz leider noch nicht möglich. Sie ist im Kulturhistorischen Museum untergebracht; daneben gibt es dort viel Stadtgeschichte, aber wir sind heute hier, um Ringelnatz auf Schritt und Tritt zu folgen. Möchten Sie die Ausstellung sehen, geht das mittwochs bis samstags von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr und kostet erschwingliche 4 € Eintritt. Jugendliche bis 16 Jahren haben freien Eintritt. Es ist schön, dass die Aufwachsenden von heute so die Möglichkeit haben, sich von einem wahren Freigeist des 20. Jahrhunderts inspirieren zu lassen. Es gibt Erstausgaben, Porträts, Objekte aus dem ehemaligen Besitz Ringelnatzes und zahlreiche von Joachim Ringelnatz selbst gemalte Bilder zu bestaunen.
Die Ringelnatzstadt und das Leben ihres berühmtesten Sohnes
Wir wollen Ihnen das kuriose Leben des Wortakrobaten nicht vorenthalten. Viel zu verrückt und damit ganz wunderbar zu seinen manchmal überdrehten, aber immer pointierten Gedichten passend ist es, was dem jungen Joachim Ringelnatz zugestoßen ist. Erst einmal ist er, Sie können es sich sicher denken, nicht mit diesem schönen Namen aufgewachsen. Er erblickte als Hans Gustav Bötticher das Licht der Welt. Sein Vater konnte Druck machen, aber hat seinem Sohn später auch immer wieder dazu verholfen, etwas zu veröffentlichen. Jedenfalls flog der zweimal sitzengebliebene kleine Hans erst einmal von der Schule. Bei der Leipziger Völkerschau (so etwas gab es vor einhundert Jahren tatsächlich) hatte er sich von einer Samoanerin spontan tätowieren lassen. Wie auch heute fangen Privatschulen solche Querulanten gerne auf. Seine Sache war allerdings auch das nicht. Mit 18 fuhr er erst einmal zur See und das sollte ihn zeitlebens prägen. Später ging er zwischenzeitlich sogar zur Marine und auch im Ersten Weltkrieg war er auf Kriegsschiffen unterwegs, auch wenn er dem Krieg sehr bald schon nichts mehr abgewinnen konnte. Später in Berlin sang, trank und dichtete er mit Hans Albers (1891-1960). Dessen Lied La Paloma aus dem großen Deutschen Filmklassiker Große Freiheit 7 wurde sogar auf der Beerdigung von Joachim Ringelnatz im November 1934 in Berlin gespielt. Er starb mit 51 Jahren an Tuberkulose.
Ringelnass und Ringelnatz
Ringelnatz trat für Bier und wenig Geld in der Münchener Kneipe Simplicissimus auf und veröffentlichte in der gleichnamigen Satirezeitschrift. Er machte Kinderbücher und zunehmend auch ernsthaftere Gedichtbände. Die Kinderbücher schafften es zum Skandal, da dort allerhand Streiche, Bösartigkeiten und gefährliche Ideen Platz fanden. Ringelnatz: der Schelm, der Chaot, der Satiriker. Er arbeitete zwischenzeitlich als Tagelöhner, Sängerbarde, Schauspieler, Maler. Er versuchte sich als Privatlehrer, Buchhalter und Schaufensterdekorateur. Er trieb wie auf wilder See durch sein Leben – stets knapp bei Kasse, aber immer noch eine Handbreit Wasser unter dem Kiel, wie man im Norden zu sagen pflegt, wenn man noch irgendwie über die Runden kommt. Die See hatte es ihm jedenfalls angetan. Auch sein Künstlername rührt daher, dass Seeleute Seepferdchen Ringelnass nennen. Die zu den Knochenfischen gehörenden, tatsächlich wie kleine Pferdchen aussehenden und zur Fantasie anregenden Tiere hat Ringelnatz gerne gezeichnet – und sie haben ihn offenbar auch autobiografisch inspiriert.
Die Ringelnatzstadt ist eine Erfolgsgeschichte
Die Stadt Wurzen hat ein Ringelnatzgässchen nach dem Sohn der Stadt benannt, so wie er es sich zu Lebzeiten in einem Gedicht für den Fall seines Ablebens gewünscht hat. Eine irgendwie berührende Geste. Durch das Ringelnatzgässchen sollten Sie auf jeden Fall durchlaufen bei Ihrem Besuch in der Wurzener Altstadt; es ist tatsächlich so verwinkelt und unaufgeregt sympathisch wie im Gedicht beschrieben. Alles andere als ein Prachtboulevard – aber das hätte auch wirklich nicht zum Leben von Joachim Ringelnatz gepasst, der (wie wir inzwischen wissen) zeitlebens um die Härten des Daseins wusste. Außerdem wurde in Wurzen ein aus 12 Stelen bestehender Ringelnatzpfad angelegt. Auf denen sind Gedichte des Lyrikers zu lesen; manchmal sind sie ergänzt um eine kleine aufgesetzte Skulptur. Folgen Sie dem Rundgang kommen sie außerdem an den Sehenswürdigkeiten der Stadt Wurzen vorbei, denen wir uns in einem anderen Buskompass-Artikel widmen. Im Grunde sind überall Spuren und Hinweise zu Joachim Ringelnatz zu finden. Manchmal prangen Gedichtzeilen mit übergroßen Buchstaben von Häuserwänden, an anderer Stelle sprudelt ein Brunnen, auf dem Ringelnatz eines seiner Seepferdchen im Arm hält. Wir freuen uns, dass uns die Geburtsstadt des Träumers und Poeten, der sich nie aufgegeben hat und der nie wirklich von seinem langsam zunehmenden Erfolg hat leben können, so freundlich empfangen hat.
Hinweise
Der Verein, der das zukünftige Museum im Geburtshaus von Joachim Ringelnatz betreut, ist erreichbar unter der E-Mail-Adresse info@ringelnatz-verein.de / Bürozeiten sind mittwochs und donnerstags von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr – dann ist auch telefonisch jemand unter der Rufnummer 03425-8573991 zu erreichen
Die Adresse des Geburtshauses von Joachim Ringelnatz ist Crostigall 14 in 04808 Wurzen
Das Kulturhistorische Museum mit der Ringelnatz-Sammlung finden Sie in der Domgasse 2 in 04808 Wurzen. Kontakt: museum@wurzen.de oder Telefon: 03425-8560405
Wir empfehlen Ihnen, den Reisebus am Mühlgraben zu parken. Von dort sind es nur etwa 300 Meter bis zum Geburtshaus von Joachim Ringelnatz. Das Kulturhistorische Museum liegt 500 Meter nördlich des Geburtshauses ganz in der Nähe des Marktplatzes.
Lesenswert und Hörenswert
Ein Gedichtband von Joachim Ringelnatz. Oder einen richtig schönen Seefahrerroman. Alternativ könnten Sie auch ein paar Lieder von Hans Albers hören.