Kennen Sie Rotkäppchen und den bösen Wolf? Wir verraten Ihnen, ob die traditionsreiche Schaumweinproduktionsfabrik damit etwas zu tun hat. Kaiser haben ihn getrunken und dem Militär hat er einiges zu verdanken. Die Geschichte der Rotkäppchen Sektkellerei ist faszinierend – am besten reisen Sie gleich für eine Führung nach Freyburg an der Unstrut!
Die Erfolgsgeschichte der Sektmarke Rotkäppchen beginnt vor über 150 Jahren. Die Brüder Kloss und ihr Freund Carl Foerster eröffnen noch vor der Kaiserzeit im Jahr 1856 eine Weinhandlung. Das Thema Schaumweine und die ökonomischen Erfolgsaussichten des nördlichsten Weinanbaugebietes von Deutschland scheinen die drei Kompagnons zu interessieren. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie sich schon im selben Jahr an der ersten Freyburger Champagner-Fabrik-Gesellschaft beteiligen. Man produzierte zunächst im Hinterhaus der Familie Kloss, zur Hochzeit von Julius Kloss wurde die erste Flasche Sekt geköpft. Ob deswegen geheiratet wurde, weil der Sekt fertig war oder ob anlässlich der Hochzeit der Sekt entkorkt wurde, ist nicht überliefert. Weil die Freyburger Champagner-Fabrik-Gesellschaft ihren Betrieb 1862 einstellen muss, kommt es letztlich im Jahr 1866 zur Versteigerung der Fabrik und Kloss & Foerster können nun als neue Eigentümer alleine mit der Sektkellerei durchstarten. Sie erweitern die Fabrikgebäude und kaufen ab 1867 Wein und Most in Baden und in Württemberg hinzu, um der steigenden Nachfrage Rechnung zu tragen. Inzwischen heißt eine der vertriebenen Marken von Kloss & Foerster Monopole; Französisch war angesagt, und die Flasche hatte bereits zu diesem Zeitpunkt eine rote Kappe. Doch zum Namen Rotkäppchen kam es erst, als die Franzosen klagten (auf deren Markt es bereits einen Sekt mit dem Markennamen Monopole gab). Im Jahr 1895 war also aus juristischer Not heraus der Name Rotkäppchen geboren.
Führungen durch die Rotkäppchen Sektkellerei
Wir sind heute zum Sektverköstigen in Freyburg an der Unstrut gelandet. Die Stadt, die im Jahr 1203 zum ersten Mal erwähnt wurde und der die Gründung der oberhalb von ihr liegenden Neuenburg vorausging, hat eine lange Winzertradition. Das deutlichste, weil in Stein gehauene Beispiel ist die Rotkäppchen Sektkellerei, die wir heute besichtigen wollen. Es gibt 90-minütige Führungen (15 €), die jeden Tag um 11.00 Uhr starten (maximal 20 Teilnehmer) und denen Sie sich anschließen können. Als Reisegruppe ist es aber ratsam, eine Exklusivführung für bis zu 25 Teilnehmer zu buchen (19 €); dann können Sie den Termin absprechen und es ist noch etwas mehr Zeit. Ein Glas Sekt ist selbstverständlich inklusive. Wenn Sie Lust auf mehr haben, dann gibt es außerdem noch die empfehlenswerte Erlebnistour mit großer Sektverköstigung für 24 € pro Person. Dann kommen Sie beispielsweise auch in den Genuss, eine Mocca Perle zu probieren. Dies ist ein Sekt mit einem Schuss Kaffee und eine Erfindung eines Qualitätskontrollleiters der VEB Rotkäppchen Sektkellerei Freyburg aus dem Jahr 1971. An einem heißen Sommertag kühlte er seinen Kaffee mit einem Sekt und schon war die Neuentdeckung auf dem Markt.
Auch die Rotkäppchen Sektkellerei muss Schaumweinsteuer löhnen
Im Rahmen der Führung kommen wir in den großen Lichthof der Rotkäppchen Sektkellerei, in dem heute kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte stattfinden. Auch dank dieses Eindruck machenden Hofes war die Rotkäppchen Sektkellerei überregional bekannt. 1893 wurde die Überdachung gebaut und bei einem Rundgang können wir uns lebhaft vorstellen, wie Pferdefuhrwerke die Fässer und Kisten voller Sektflaschen aus dem Lichthof abtransportierten. Während des Kaiserreiches unter Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) beispielsweise zu den zahlreichen soldatischen Offizierskasinos; er selbst beschwor den guten Geschmack und die gute Bekömmlichkeit des Sektes aus dem Hause Kloss & Foerster. Auch zu Zeiten des Ersten Weltkrieges waren die Absätze noch gut; allerdings hat dieser in seiner Folge zu einer gigantischen Inflation geführt: Im Jahr 1923 kostete eine Flasche Rotkäppchen Sekt sage und schreibe 1.928.00 Mark. Um mit den Finanzlasten der Versailler Verträge nach Ende des Ersten Weltkrieges irgendwie zurechtzukommen, war man weiterhin auf die im Deutschen Reich seit 1902 erhobene Schaumweinsteuer angewiesen. Das setzte in Zeiten der Inflation den viele Produkten aus dem Haus der Rotkäppchen Sektkellerei zweifelsohne zusätzlich enorm zu. Wirtschaftlich aufwärts ging es zwischenzeitlich erst wieder ab 1933, als die Schaumweinsteuer abgeschafft wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie wieder eingeführt und noch heute sorgt sie in abgewandelter Form für mehrere hundert Millionen Steuereinnahmen pro Jahr.
Ein Eichenfass ruht im Domkeller der Rotkäppchen Sektkellerei
Unter dem Lichthof befindet sich ein Keller, der gemessen an früheren Zeiten 5 Etagen tief unter der Erde liegt. Und dahin geht es natürlich auch bei der historischen Führung durch die Rotkäppchen Sektkellerei. Dass heute der ganze Betrieb von einer Handvoll Mitarbeiter bewirtschaftet wird, es riesige moderne Produktionshallen aus Metall gibt, in denen weitgehend vollautomatisiert der Schaumwein in Millionen Litern erzeugt wird, schieben wir für einen Moment beiseite. Schließlich wollen wir uns verzaubern lassen von der Produktionskunst vergangener Zeiten, von der Handarbeit und dem Fleiß der Winzer. Dazu passt die Inschrift eines der weltweit größten Eichenfässer, dass im sogenannten Domkeller der Rotkäppchen Sektkellerei steht und einst 120.000 Liter fasste. Küfer haben es im Jahr 1896 aus 25 Eichen gebaut und mit folgender Inschrift verziert: Arbeit ist des Bürgers Zierde / Segen ist der Mühe Preis / Ehret den König seine Würde / Ehret uns der Hände Fleiss
Es wird fleißig gerüttelt in der Rotkäppchen Sektkellerei
Wenn wir schon einmal durch die Keller und Katakomben der Rotkäppchen Sektkellerei geführt werden, dann wollen wir uns ein Highlight nicht entgehen lassen. In Flaschengärung reift Sekt auf hölzernen Böcken heran, von Hand wird er täglich gedreht. Das sogenannte Rütteln war einst ein eigener Beruf. Als Rüttlerin oder Rüttler war es möglich, zehntausend Flaschen und mehr an einem Tag zu drehen. Gemacht wurde dies, damit sich nach und nach die Hefe absetzen kann, die für den Gärprozess verantwortlich ist. In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden mit dieser Methode 60.000 Flaschen im Keller der Rotkäppchen Sektkellerei gerüttelt. Heute wird die Flaschengärung maschinell betrieben, zu Vorführzwecken wird hier das alte Handwerk mit den durchaus monotonen Handgriffen aber noch gepflegt. Der Ursprung dieser Methode liegt in der französischen Region Champagne. Dort entwickelte die erste Frau, die ein Champagnergut besaß, die im französischen remuage genannte Methode. Zur Prozedur, die vor allem der optischen Klärung des Schaumweines dient, gehört auch das Abschlämmen, also das Entfernen der sich im Flaschenhals sammelnden Hefe. Zur Zeit von Madame Barbe-Nicole Cliquot (1777-1866) waren Arbeitskräfte preiswert, wenn man das so über die Feudalstrukturen sagen darf, die auch durch die Französische Revolution von 1789 nicht auf einen Schlag beseitigt worden waren.
Die Rotkäppchen Sektkellerei nach der Wiedervereinigung
Die Anreise mit dem Reisebus könnte sich selten weniger gelohnt haben als heute. Zum einen, weil Sie bei An- und Abreise durch die idyllische Landschaft der Region an der Unstrut fahren. Zum anderen, weil Sie nach umfassender Sektverköstigung vermutlich kein eigenes Fahrzeug mehr führen dürften und könnten. Dass Sie den Standort in Freyburg an der Unstrut, der ansonsten als Lebensmittelpunkt von Turnvater Jahn (1778-1852) bekannt ist, eigens wegen des perligen Schaumweins besuchen können, ist gar nicht selbstverständlich. Nach der Wiedervereinigung brach der Absatz um 50 % ein und es wäre beinahe Schluss gewesen mit der Rotkäppchen Sektkellerei. Die Bevölkerung in den Bundesländern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wandte sich Westprodukten zu. Je nach Betrachtungsweise waren diese lange ersehnt worden oder überschwemmten jetzt ungefragt brutal den ostdeutschen Markt. Jedenfalls kam es nach einem kurzen Intermezzo mit der Treuhand zur Reprivatisierung, nachdem die Fabrik 1948 endgültig enteignet und zum VEB Rotkäppchen Sektkellerei Freyburg geworden war. Seit 2001 ist Rotkäppchen Sekt die erfolgreichste Sektmarkte in Gesamtdeutschland und kauft inzwischen mitunter selbst fleißig ein auf der ganzen Welt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Hinweise
Die Rotkäppchen Sektkellerei finden Sie in der Sektkellereistraße 5 in 06632 Freyburg an der Unstrut. Da die Parkplätze auf dem Gelände begrenzt sind, können wir Ihnen die 500 Meter von der Produktionsstätte Parkplätze Freyburg Altstadt Nord und Schützenplatz empfehlen. Am besten ist allerdings, Sie sprechen im Vorfeld bei der Buchung einer Führung ab, dass Sie mit dem Reisebus direkt im Hof der Sektkellerei parken können.
Anmelden können Sie sich für Führungen auf der Homepage der Rotkäppchen Sektkellerei. Für weitere Fragen und Abstimmungen können Sie eine E-Mail an erlebniswelt@rotkaeppchen-mumm.de schreiben oder Sie wählen die Rufnummer: 034464-34288
Anfahrt: aus Richtung Nürnberg kommend (A9), nehmen Sie die Abfahrt Naumburg und fahren die B180 in Richtung Naumburg und Freyburg; aus Richtung Berlin kommend (A9), können Sie auf die A38 in Richtung Harz wechseln und fahren von der Abfahrt Merseburg-Süd über Braunsbedra nach Freyburg; aus Richtung Eisenach kommend (A4), nehmen Sie die Ausfahrt Apolda, dann Richtung Naumburg (B87) und von dort aus nach Freyburg (B180) fahren; aus Richtung Dresden kommend (A4), fahren Sie bis zum Hermsdorfer Kreuzer, wechseln auf die A9 Richtung Berlin, nehmen die Abfahrt Naumburg und orientieren sich dann ebenfalls in Richtung Freyburg (B180)
Gastronomisch finden Sie in der näheren Umgebung von und in Freyburg viele Angebote; vielleicht darf es ja ein Weinlokal oder Restaurant mit Blick auf die Unstrut sein
Lesenswert
Wer sich schon mal etwas einarbeiten möchte in die Materie vor einer Führung durch die Rotkäppchen Sektkellerei, dem empfehlen wir mit einem Augenzwinkern das Taschenbuch 111 Schaumweine aus aller Welt, die man getrunken haben muss. Es kostet 18 €.