Wassermassen in der Havel und in der Elbe. Verbunden werden sie durch eine gigantische Schleuse. Und dazu schwimmt ein Schwan durch das Tor zum Mittellandkanal. Wir verraten Ihnen, wie die Schifffahrtsindustrie in Mitteldeutschland tickt, in welchem Hofladen Sie die leckersten Wachteleier bekommen, die verrücktesten Hühner sehen und flauschigsten Schafe streicheln können.
Es ist schon ein besonderes Stadtwappen, welches sich die westbrandenburgische Gemeinde Wusterwitz im Jahr 2009 gegeben hat. Ein weißer Schwan auf blauem Grund, der über ein weiß und blau gezacktes Wellenmuster schwimmt. Über ihm vier dreieckige Wimpel, die das Wappen nach oben hin begrenzen. Der Wappenkünstler (auf schlau: Heraldiker) Uwe Reipert hat es geschaffen. Der Grafiker hat schon dutzende Gemeindewappen entworfen und verleiht so landauf und landab deutschen Orten eine moderne und zugleich traditionelle neue Bildsprache und Erzählung. In Wusterwitz westlich vom Wendsee und vom Großen Wustewitzer See passt es jedenfalls hervorragend. Wusterwitz grenzt noch an ein Vogelschutzgebiet, welches sich vom nah gelegenen Fiener Bruch auf sachsen-anhaltischer Seite bis über die Landesgrenze zieht; außerdem fließt der Elbe-Havel-Kanal ganz unmittelbar vorbei, dem wir heute einen Besuch mit dem Reisebus abstatten wollen!
Havel und Elbe verbindet die Schleuse von Wusterwitz
Um zu verstehen, welche besondere Bedeutung die Schleuse von Wusterwitz hat, müssen wir uns ihre zentrale Lage in Mitteldeutschland vergegenwärtigen. An der Landesgrenze von Brandenburg zu Sachsen-Anhalt ermöglicht sie großen, mit Doppelreihen von Containern beladenen Frachtschiffen das Passieren vom Elbe-Havel-Kanal zum bedeutenden Mittellandkanal. Der künstlich geschaffene Binnenschifffahrtsweg führt nach Osten zur Havel und eröffnet somit den Anschluss über die Wasserstraßen nach Berlin. In die andere Richtung geht es zur Elbe. Der breite, in die Nordsee mündende Strom liegt nur noch gut 20 Kilometer östlich der Schleuse von Wusterwitz. Auf halbem Weg zwischen der Schleuse von Wusterwitz und der Elbe befindet sich das im Jerichower Land gelegene Genthin mit seiner ehemaligen Zichorienfabrik, die ebenfalls einen Ausflug wert ist. Wir stellen uns nun also eine Ost-West-Achse vor, auf der Waren in beide Richtungen geschifft werden können. Der 55 Kilometer lange Elbe-Havel-Kanal mündet nicht nur in die Elbe, sondern geht dort auch direkt in den Mittellandkanal über. Dieser führt über 392 Kilometer nach Westen bis zum Dortmund-Ems-Kanal. Also auch die Verbindung ins Ruhrgebiet ist hergestellt; Ems liegt in Niedersachsen an der Nordseeküste. Die Schleuse von Wusterwitz ist folglich ein Infrastrukturprojekt der Superlative, das es zu besichtigen lohnt. Folgerichtig hat sie in ihrer heutigen Form (Erweiterung im Jahr 2022) 30 Millionen mehr gekostet als geplant und wurde acht Jahre später fertig als erhofft.
Der Bau der Schleuse von Wusterwitz
Begonnen hat die Geschichte der Schleuse von Wusterwitz schon in der Weimarer Republik. Viele Großprojekte wurden damals geplant und auch in den 30er Jahren energisch vorangetrieben. Unsere Schleuse war allerdings nach drei Jahren Bauzeit im Jahr 1930 bereits fertiggestellt. Eine beachtliche Leistung, bedenkt man, dass die Schleusenkammer schon damals 225 Meter lang und 12 Meter breit war. Man kombinierte Stahlbeton für die Stabilität mit roten Backsteinen für die Optik. Genau wie bei der heutigen zweiten Schleusenkammer (die unter enormen Aufwand an Kosten mit Baumängeln und mit Bauverzögerungen entstand) liegt der Wasserstandsniveauunterschied bei 2,95 Meter bis 4,75 Meter. Je nachdem wie hoch der Pegelstand der Havel liegt. Vermeintliche maximale Hochwasserstandshöhen sind dabei mit eingerechnet. Aber, wie es im Wasserwirtschaftsdeutsch heißt, seit der Verkehrsfreigabe der zweiten Schleusenkammer mit hydraulischer Seitenflutung können Frachtschiffe passieren, die deutlich tiefer im Wasser liegen. Sie liegen tiefer im Wasser, wenn sie schwerer beladen sind, also mehr Fracht transportieren können – logisch. Bleibt zu hoffen, dass die ökologischen Auswirkungen vertretbar bleiben. Wir befinden uns in einem sensiblen, an ein ehemaliges Urstromtal grenzenden Gebiet von hoher Schutzwürdigkeit für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten. Im nicht allzu weit entfernten Fiener Bruch auf sachsen-anhaltischer Seite kann beispielsweise der Großtrappe, einem sehr seltenen und bis zu 15 Kilogramm schweren, aber noch flugfähigem Vogel nachgestellt werden; und nachstellen heißt hier nicht mit dem Jagdgewehr, sondern mit dem Fernglas und mit Achtsamkeit.
Ein Hofladen an der Schleuse von Wusterwitz
Das Schöne ist, wenn Sie das Tor zum Mittellandkanal besuchen, dann können Sie gleich den sympathischen Hofladen an der Schleuse von Wusterwitz aufsuchen. Hier gibt es nicht nur besondere Hühnerrassen zu bestaunen, Sie können auch Wachteleier, Fleisch und Käse erwerben. Da bietet sich ein Picknick vielleicht an für die Reisegesellschaft. Auch Kamerun Schafe können gestreichelt und kleine Miniaturschweine bewundert werden, deren Maximalgewicht bei gerade einmal 35 Kilogramm liegt. Hasen, Meerschweinchen, Hund und Katz sind hier sowieso zu finden – es ist also weit mehr als nur ein gewöhnlicher Hofladen. Und wer sich neben Kulinarik auch noch für Kultur interessiert, dem empfehlen wir, sich die aus Feldsteinen errichtete romanische Kirche von Wusterwitz aus dem 13. Jahrhundert anzuschauen. Sie ähnelt einer ganzen Reihe von Gotteshäusern in der Region – ähnliche Bauten können Sie beispielsweise in Warchau, Zitz und Bücknitz besichtigen. Viel Freude dabei!
Hinweise
Die Schleuse von Wusterwitz finden Sie an der Schleuse 9 in 14789 Wusterwitz
Es gibt sogar ein Info-Telefon zur Schleuse von Wusterwitz: 03381-266458
Der Hofladen Schleusenstube liegt an der Schleuse 5 in 14789 Wusterwitz
Die Dorfkirche von Wusterwitz liegt an der Hauptstraße von Wusterwitz ganz in der Nähe vom griechischen Restaurant Knossos Am See 1 in 14789 Wusterwitz. Für Reservierungen mit Seeblick auf der großen Seeterrasse schreiben Sie eine E-Mail an info@knossos-am-see-gmbh.de oder wählen die Rufnummer 033839-711380
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Der Verein zur Förderung des Mittellandkanals hat 2014 ein Buch mit dem Titel Die Vollendung des Mittellandkanals herausgegeben – hier erfahren Sie alles zu der historischen Idee, eine Verbindung vom Ruhrgebiet bis tief in den Osten zu schaffen.