Wie wird Politik gemacht? Geht mich das auch etwas an? Und wo kann ich das alles ganz hautnah erleben?
Das beantworten wir Ihnen bei einem Ausflug in die sächsische Landeshauptstadt Dresden.
Wir besuchen den Sächsischen Landtag. Außerdem entdecken wir gemeinsam die Architektur des Kongresszentrums und des Erlweinspeichers. Gläserne Transparenz trifft auf Bauhaus und Fabrikcharme.
Was hat Dresden nicht gelitten, seit es 2014 in den Fokus von Pegida-Demonstrationen rückte. Die behauptete Islamisierung des Abendlandes und der Aufstieg der AfD sind nicht nur touristisch ein Imageschaden für die Landeshauptstadt. Seit der Landtagswahl von 2019 (die nächste Wahl ist 2024) wird Sachsen unter dem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) von einer schwarz-rot-grünen Koalition regiert. Die mit Abstand stärkste Oppositionspartei ist die AfD; sie erreichte mit 27,5% der Wählerstimmen 38 Sitze im 119 Sitze umfassenden Landesparlament. Genau dort wollen wir uns heute einmal umschauen bei unserem Ausflug mit dem Reisebus. Denn besser als nur über die Demokratie zu schimpfen ist es doch vielleicht, sich selbst einmal ein Bild vom Abgeordnetenhaus zu machen. Hier werden immerhin alle Sächsinnen und Sachsen vertreten, so sie denn bei der Wahl ein Kreuz bei einer der im Landtag vertretenen Parteien gemacht haben. Ein direkt ins Auge stechende Detail ist, dass der Schriftzug am Sächsischen Landtag in Dresden auch auf Sorbisch angebracht ist. Ein Zeichen dafür, dass die Bevölkerungsgruppe in der Niederlausitz mit eigener Sprache und kulturellen Traditionen ebenso dazu gehört. Für Menschen mit Migrationshintergrund gilt das im Übrigen nur, wenn man einen deutschen Pass hat. Denn der ist anders als bei Europa- und Kommunalwahlen Bedingung für die Ausübung des Wahlrechtes auf Landtagsebene.
Die Architektur des Sächsischen Landtages
Der Sächsische Landtag wurde in seiner heutigen Form gleich nach der Wende in den frühen 90er Jahren errichtet. Auch wenn die regulären Sitzungen erst etwas später losgingen, so wurde er bereits am Tag der Deutschen Einheit im Jahr 1993 zum ersten Mal genutzt. Architektonisch Kind seiner Zeit wurde bei dem Bau viel Wert auf reichlich Glas (Transparenz) und Besucherfoyers (Offenheit) gelegt. Bloß keine Architektur die einschüchtert – volksnah möchte die Demokratie rüberkommen am Beginn einer neuen gemeinsamen Reise in Ost und West. Gelungen ist das Parlamentsgebäude aber auch, weil die Erweiterungsbauten des eigentlichen Plenarsaales aus der Zeit des Bauhauses stammen. Also aus den späten zwanziger Jahren.
Das Kongresszentrum in Opposition zum Sächsischen Landtag
Die Neue Terrasse, die sich als Anlehnung an die sich östlich nach der Augustusbrücke anschließende berühmte Brühlsche Terrasse versteht, hat noch mehr zu bieten. Als sehr zum Sächsischen Landtag passendes Gebäude wurde im Jahr 2004 das Dresdener Kongresszentrum erbaut. Es steht ebenfalls halbhoch am Elbufer und seine schmalen, schräg stehenden Säulen, die das Vordach leichtfüßig zu tragen scheinen, sorgen für einen luftigen und filigranen Gesamteindruck. Steht man auf der Freiterrasse, blickt man über die Elbe hinüber zum Japanischen Palais, welches ebenfalls einen Besuch wert ist. Das wie mehrere flache Boxen versetzt übereinander gestapelte Kongresszentrum wirkt alles andere als schwer, da wie auch beim Sächsischen Landtag sehr viel Glas verbaut wurde. Tagungen, Kongresse, Schachturniere und weitere Großveranstaltungen finden hier statt. Ähnlich wie die Hamburger Elbphilharmonie nimmt das Gebäude in schwungvoller Form die Form der Wellen auf. Der Strom, an dem es liegt, ist immerhin die mächtige Elbe; zumindest wenn nicht grade klimawandelbedingt Niedrigwasser herrscht. Aber auch die zerstörerischen Elbhochwasser der Vergangenheit haben die Stufen des Kongresszentrums schon umspült. Dann wirkt das Gebäude eher wie eine gläserne Arche – hoffen wir, dass sich dieser Anblick nicht so bald wiederholt.
Der Erlweinspeicher an der Neuen Terrasse
Noch ein drittes Gebäude lohnt es sich zu betrachten, wenn wir grade einmal 500 Meter von Semperoper und Dresdener Zwinger entfernt am Elbuferweg stehen. Wie bei einem Triptychon rahmen der Sächsische Landtag und das Kongresszentrum das ein, was bei Kirchengemälden von Giotto (1276-1337) oder bei Altarbildern von Dürer (1471-1528) die Mitteltafel wäre. In unserem Fall liegt in eben diesem Zentrum der Erlweinspeicher. Hans Erlwein (1872-1914) war Architekt und Dresdener Stadtbaurat und somit auch bei der Errichtung zahlreicher repräsentativer und funktionaler Gebäude involviert. Der Erlweinspeicher wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg errichtet (nach der Methode US-Amerikanischer Wolkenkratzer aus Stahlbeton) und diente als Lager. Unter anderem Stoffe und Gewürze aus dem schon immer auch für Deutschland wichtigen Morgenland kamen hier in großen Mengen unter. Aber auch Tabak wurde hier gelagert, ebenso wie in der nahen Yenidze. Dabei handelt es sich um eine riesige ehemalige Tabakfabrik im Stil einer Moschee aus 1001 Nacht.
Lebendige Demokratie – Besucherführungen im Sächsischen Landtag
Kehren wir noch einmal zurück zum Herz der sächsischen Demokratie. Das Parlament können Sie nach einem kleinen Sicherheitscheck frei betreten. Es gibt ein Bürgerfoyer, in dem es wechselnde Ausstellungen zu sehen gibt. In erster Linie handelt es sich um Informationen zur Geschichte, zum Parlament, zur Demokratie. Wenn Sie alleine kommen, können Sie sogar ohne Voranmeldung auf der Besucherterrasse des Sächsischen Landtages Platz nehmen und eine Parlamentssitzung verfolgen. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass Sie alleine reisen, wenn Sie mit einem Reisebus gekommen sind; außer vielleicht Sie sind der Busfahrer. Im Fall einer Gruppenreise empfehlen wir Ihnen, sich an den Besucherdienst des Sächsischen Landtages zu wenden. Dies können Sie ganz unkompliziert unter der Rufnummer 0351-4935132 machen, oder Sie schreiben eine E-Mail an besucherdienst@slt.sachsen.de. In der plenarfreien Zeit werden mehrfach am Tag 90 minütige Führungen angeboten. Dabei kann auch der Plenarsaal selbst besichtigt werden und auf Wunsch findet im Anschluss noch ein längeres Gespräch mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen statt. Viel näher kann man dem parlamentarischen Politikbetrieb nicht mehr kommen. Es sei denn vielleicht, Sie melden sich für eine Besucherführung während der Plenarsitzungszeit an. Dann können Sie der Demokratie von der Besuchertribüne aus direkt auf die Finger schauen. Das ist doch allemal besser, als der Politik den Rücken zuzuwenden; vielleicht kann ein solcher Besuchstag im Sächsischen Parlament ja sogar ein Impuls sein, sich selbst zu engagieren und politisch einzubringen. Ganz konkret, in der Stadt, auf dem Land, im Dorf. Politik ist nicht nur das Parlament. Politik, das sind wir alle!
Hinweise
Die Anschrift des Sächsischen Landtages lautet: Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden. Mit dem Reisebus können Sie unterhalb der Marienbrücke am Elbufer parken. Von dort ist es nur ein kurzes Stück zu laufen.
Barrierefreiheit wird im Parlamentsgebäude natürlich großgeschrieben. Bei speziellen Fragen und Anforderungen wenden Sie sich gerne an den Besucherservice (0351-4935132)
Südöstlich des Kongresszentrums steht eine Denkmal zu Ehren des Schriftstellers Fjodor Dostojewski (1821-1881)
Lesenswert
Da wir Ihnen nahe gelegt haben, nicht zu vergessen, dem Dostojewski-Denkmal einen Besuch abzustatten, ist auch hier unsere Literaturempfehlung eindeutig – die gesammelten Werke von Fjodor Dostojewski; da dies allerdings ein ausuferndes Unterfangen sein dürfte, empfiehlt unser Buskompassautor Nico Pohl Die Dämonen oder Die Brüder Karamasow zu lesen – zeitlose gute russische Literatur.