Sind Sie schon einmal einem Hirsch begegnet, der 1,5 Tonnen wiegt? Oder einem fast zehn Meter hohen Verwandten des Nashorns? Was so fantastisch klingt, gibt es in Sebnitz in Sachsen zu bestaunen. Plastiken ausgestorbener Tierarten füllen einen ganzen Urzeitpark.
Anders als im bekannten Saurierpark Kleinwelka bei Bautzen stehen heute nicht die Dinos im Mittelpunkt. Der Bildhauer und Autodidakt Franz Gruß (1931-2006) hat in der Kleinstadt Sebnitz nahe der tschechischen Grenze einen Urzeitpark mit Plastiken aus Stahl und Beton geschaffen. 1996 wurde er eröffnet; also gut zwanzig Jahre nach der Eröffnung des Saurierparks und Sauriergartens. Der Bürgermeister der heute 10.000 Einwohner großen Gemeinde hatte auf das Gesuch des Bildhauers reagiert. Das passt zu dem wandelfähigen Ort, der um das 13. Jahrhundert herum gegründet wurde und seit 1451 als Stadt gilt. Fränkische Bauern hatten ihn einst besiedelt, in der Neuzeit bis zur Industrialisierung wurde hier viel von Hand gewoben und im 19. Jahrhundert stieg Sebnitz zum Zentrum der Kunstblumenherstellung auf. Böhmen lag sehr nah (der nächste Berg ist der 599 Meter hohe, in Tschechien liegende Tanzplan) und ohnehin hatte ein großer Stadtbrand zu Mitte des 19. Jahrhunderts einen Neuanfang erzwungen. 2016 gab es eine dreitägige 775-Jahr-Feier und nicht erst seitdem gehört der Urzeitpark Sebnitz fest zur Gemeinde am Rande des Lausitzer Berglandes.
Evolutionsgeschichte im Urzeitpark Sebnitz
Was erwartet uns im Urzeitpark Sebnitz? Die ganze Evolutionsgeschichte wird aufgefahren. Zu sehen gibt es tausendfach vergrößerte Modelle von den ersten im Wasser lebenden Zellen, Mikroben und Kleinstlebewesen. Wer den Biologen Ernst Haeckel (1834-1919) kennt, weiß vielleicht um dessen Zeichnungen von Meereslebewesen. Filigran und zeitlos erfasste er die Welt der Ozeane, in denen das Leben begann. Er selbst machte die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882) in Deutschland populär. Und was wir nun in Sebnitz zu sehen bekommen, ist sozusagen Haeckel in 3D – also bunte Plastiken in hundert- bis tausendfach vergrößertem Maßstab.
500 Millionen Jahre Urzeitpark Sebnitz
Was erwartet uns noch? Faszinierende Plastiken von Lebewesen, die bereits ausgestorben sind bis hin zu Modellen von lebenden Fossilien. Als solche gelten Lebewesen, deren Art sich seit Millionen von Jahren weitestgehend unverändert erhalten haben. Beispielsweise gibt es den Nautilus (einen Kopffüßler mit schneckenförmig gestreiftem Gehäuse) bereits seit etwa 500 Millionen Jahren. Das ist unglaublich lange, wenn man bedenkt, dass es erste Zellorganismen auf der Erde auch erst seit etwa 3,5 Milliarden Jahren gibt und dass eine Tierart durchschnittlich alle 10 Millionen Jahre ausstirbt. Nicht nur der Mensch (Homo Sapiens) forciert diesen Trend heute in gewaltigem Ausmaß und Tempo; es hat immer schon klimatisch bedingte Aussterbewellen gegeben. Oder auch kosmische Ereignisse – man denke beispielsweise an Theorien zum Aussterben der Dinosaurier, welche eben dies als Folge eines gigantischen Meteoriteneinschlags auf der Erde vermuten.
Im Urzeitpark Sebnitz gibt es das größte Säugetier der Welt
Und wenn Sie mit Ihrer Reisegruppe die Säugetiere vermissen sollten, seien Sie ganz unbesorgt. Auch der Wunsch wird Ihnen im Urzeitpark Sebnitz erfüllt. Größer, stolzer und prächtiger als Ihnen vielleicht lieb ist. So können Sie etwa einem wahren Größenungetüm begegnen: Das vor 23 Millionen Jahren ausgestorbene Paraceratherium hatte eine Höhe von bis zu 9 Metern, eine Länge von 5 Metern und ein Gesamtgewicht von etwa 20 Tonnen. Damit war es das größte Landsäugetier, das jemals auf der Erde gelebt hat. So schwer wie es war, war es sicher kein schneller Jäger. Im Gegenteil, es ernährte sich wohl in erster Linie von Blättern, so wie es auch heute die Giraffen mit ihren langen Hälsen zu tun pflegen. Dennoch ist das Paraceratherium eher mit den Nashörnern verwandt; auch diese ernähren sich bekanntlich rein pflanzlich. Rückschlüsse auf die Ernährungsweise werden übrigens in erster Linie anhand der Fossilien von Kiefern und Zähnen gezogen. Wir Menschen mit unseren Backenzähnen zum Mahlen, den Eckzähnen zum Reißen und den Schneidezähnen zum Abbeißen sind typische Omnivoren (Allesfresser) und können somit evolutionär gesehen erst einmal alles verzehren.
Riesenhirsche im Urzeitpark Sebnitz
Wir sehen also, es gibt viel zu entdecken, bevor es mit der Reisegruppe zurück zum Reisebus geht. Bevor wir uns vielleicht für einen Hirschbraten in einem Wirtshaus in der Altstadt von Sedlitz entscheiden, sollten wir aber nochmal einen Blick auf die prachtvollen Vorgänger des heute noch lebenden Dam- und Rotwildes werfen. Vielleicht ändern wir dann in Ehrfurcht vor der Natur unsere Meinung und begnügen uns mit einem Salat. Wie wir gelernt haben, können wir als homo sapiens ja prinzipiell erst einmal alles essen und verwerten. Der Megaloceros jedenfalls war so ein Riesenhirsch mit einer Geweihbreite von bis zu 3,40 Metern. Sie waren groß wie Elche und wogen doppelt so viel wie diese. Etwas, was ihnen vielleicht zum Verhängnis wurde. Höhlenmalereien deuten darauf hin, dass dieser Riesenhirsch auch auf dem Speiseplan der Urmenschen stand. Genau genommen müssen wir dafür zeitlich gar nicht so lange zurückgehen. Heute wird davon ausgegangen, dass der Megaloceros vor etwa 7000 Jahren in Europa ausgestorben ist. Über Jahrhunderttausende hinweg ist er stolz durch die Wälder unserer Breiten geschritten. Den zahlreichen ausgestorbenen Tierarten gedenken wir heute bei unserem Besuch im Urzeitpark Sebnitz. Und wenn wir bei der Rückfahrt im Reisebus einmal darüber nachdenken, was wir heute tun können, damit der Mensch nicht noch mehr Tierarten ausrottet, dann ist doch schon viel gewonnen.
Hinweise
Der Urzeitpark ist von Mitte April bis Ende Oktober täglich von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Erwachsene zahlen 7 € Eintritt (ermäßigt 5 €). Als Reisegruppe ab 20 Personen zahlen Sie jeweils 5,60 € Eintritt.
Die Adresse lautet Forstweg 14 in 01855 Sebnitz. Telefonnummer des Urzeitpark Sebnitz: 035971-58800
Das Gasthaus Goldener Hirsch direkt am Marktplatz in Sebnitz hat mittwochs bis freitags von 17.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet. Samstags und sonntags von 11.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Sie können auch für größere Gruppen reservieren. Kontakt zum Goldenen Hirsch nehmen Sie unter der 035971-673003 auf. Oder Sie schreiben eine E-Mail an info@gasthaus-goldener-hirsch.de
Lesenswert
Der Ursprung der Arten von Charles Darwin – beispielsweise in der Auflage vom Klett Verlag aus dem Jahr 2018. Sehenswert bebildert im festen Einband für 48 Euro. Natürlich gibt es auch preiswertere Ausgaben des Textes. Oder Sie lesen ihn gleich im Original: On the Origins of Species (erstmalig erschienen im Jahr 1859)