Architektur und Kunst in Harmonie. Lassen Sie sich von zeitgenössischer Kunst in Leipzig begeistern! Und flanieren Sie mit uns durch den Johannapark.
Warum musste im 19. Jahrhundert die Tochter eines Großindustriellen ihr Leben lassen? Gäbe es sonst keine romantischen Teiche, knarzenden Holzbrücken und erfrischende Springbrunnen?
Die Antworten finden Sie bei uns.
Wir schauen auf einen Flachbau mit viel Glas. Die großen Fenster spiegeln den gegenüberliegenden Johannapark. Wir stehen vor einem modularen Gebäude mit verschiebbaren Innenwänden. Sichtachsen öffnen Blicke nach innen und nach außen. Aber alles wirkt ganz kompakt, spielt sich auf einer Grundfläche von der Größe zweier Tennisplätze ab. Nur dass hier kein Tennis gespielt wird, sondern dass seit 2004 ein Neu- und Erweiterungsbau der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) mit nationalen und internationalen künstlerischen Positionen bespielt wird. Und das sehr aufregend mit stetig wechselnden Ausstellungen. Hier geht es ganz klar politisch, interkulturell und gesellschaftlich zu. Der Austausch und die Konfrontation stehen im Mittelpunkt. Von Fotografie, Malerei, Videoarbeiten und Installationen kann man hier überrascht werden.
Die Galerie für Zeitgenössische Kunst – alles begann mit einer alten Villa
Ein spannender Kontrapunkt wird dadurch gesetzt, dass die ursprünglichen und ebenfalls besuchbaren Ausstellungsräume sich in der unmittelbar benachbarten Herfurthschen Villa befinden. Dort werden Positionen aus der Sammlung zeitgenössischer Kunst nach 1945 gezeigt. Die Sammlung, die natürlich immer nur in Auszügen zu sehen ist, umfasst über 1500 Objekte von mehreren Hundert Künstlerinnen und Künstlern. Stiftung und Förderkreis der Galerie für Zeitgenössische Kunst existieren seit 1990. Ein ostdeutscher Präsentationsort für internationale und aktuelle Kunst entstand. Die Herfurthsche Villa wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Stil des Historismus erbaut.
Der Johannapark und seine Geschichte
Das passt ganz gut zu dem noch etwas älteren gegenüberliegenden Johannapark, der im Stil eines englischen Landschaftsparks angelegt wurde. In der Zeit waren kleine Teiche und Brücken angesagt und so ist es auch noch heute. Ein romantisches Plätzchen für Verliebte und ein angemessener Spazierpark für die Bewohner aus dem benachbarten Leipziger Musikviertel. Entstanden ist dieser schöne Ort allerdings aufgrund einer persönlichen Tragödie, die hier auf jeden Fall erzählt werden soll. Johanna, die 21 Jahre junge Tochter des sehr wohlhabenden Leipziger Unternehmers Wilhelm Theodor Seyfferth (1807-1881), war wohl stets unglücklich und nahm sich in der Blüte ihrer Jugend das Leben. Da sie immer ein großes Interesse an Pflanzen und an der Natur gehabt hatte, versuchte ihr Vater wieder gut zu machen, was nicht wieder gut zu machen war. Er kaufte ein riesiges Grundstück nahe am Herzen des Stadtzentrums und an dem seiner Tochter. Auf diesem Areal ließ er den Landschaftsgarten anlegen, der sich bis heute erhalten hat und mit seinem Namen an die unglückliche Johanna erinnert.
Ausgangspunkt Galerie für Zeitgenössische Kunst
Nichtsdestoweniger ist es ein Vergnügen, hier herumzulaufen. Wäre mehr Zeit, könnten wir nach Westen Richtung Clara Zetkin Park, zur Sachsenbrücke über die Elster oder zur Pferderennbahn weiter laufen. So begnügen wir uns mit einem Blick auf die ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Lutherkirche. Sie wurde zum 400. Geburtstag Martin Luthers im Jahr 1886 eingeweiht.
Clara Zetkin und die Kunst
Mit etwas Glück entdecken Sie im Park auch ein Denkmal, welches an die Frauenrechtlerin und an das KPD-Mitglied Clara Zetkin (1857-1933) erinnert. Ein in Stein geschlagenes Zitat von Clara Zetkin, etwas für uns aus seinem damaligen Zusammenhang gerissen, bringt uns wieder auf die Spur zurück zur Galerie für Zeitgenössische Kunst: Alle große Kunst lebt von dem geistigen Herzblut einer großen Gemeinschaft. Auf jeden Fall spannend wäre es, die im Kontext des Sozialismus und Kommunismus entstandene Kunst den manchmal ja durchaus hyperindividuellen freiheitlichen Kunstverspieltheiten heutiger Künstlerinnen und Künstler gegenüberzustellen.
Die Galerie für Zeitgenössische Kunst – Ein Kaleidoskop aus Ausstellung, Café und Design-Shop
Vertiefen lässt sich das, zumindest wenn sie eine kleine Reisegruppe sind, vielleicht im Garten beziehungsweise im hauseigenen Café der Galerie für Zeitgenössischen Kunst. Und natürlich ist das an einem solchen Ort nicht einfach bloß ein Café, sondern zugleich Konzept und Projekt. Es ist nämlich so, dass etwa alle drei Jahre die Gestaltung und auch der Name des Cafés einer neuen Künstlerin oder einem neuen Künstler übertragen werden. Ein ewiger Wandel in der Zeit. Also allein das schon ein Grund, dass Sie immer mal wieder vorbeischauen. Dabei ist das Café dank sehr flacher Rampen stets barrierefrei zugänglich. Aktuell heißt es übrigens Das Kapital und vereint frei nach Karl Marx ein Design, das aus Zeiten utopischer Gesellschaftsentwürfe stammt. Ein weiterer Tipp zum Thema Design sei Ihnen ans Herz gelegt, falls Sie von ihrer Busreise nicht ohne Präsent für die Daheimgebliebenen zurückkehren möchten. Ein kleiner Laden ist in die Galerie für Zeitgenössische Kunst integriert. Hier finde Sie von lokalen und internationalen Designerinnen und Designern geschaffene Objekte, Grafiken, Bücher und Schmuck. Der etwas andere Museumsshop trägt den schönen Namen Tschau Tschüssi. So verabschieden sich die Leipziger mitunter gerne voneinander. Und wir uns heute von Ihnen – Gute Fahrt!
Hinweise
- Mit dem Reisebus können Sie auf der an der Galerie für Zeitgenössische Kunst vorbeiführenden Karl-Tauchnitz-Straße parken.
- Die Galerie für Zeitgenössische Kunst hat Di-Fr von 14.00-19.00 Uhr und am Wochenende von 12.00-18.00 Uhr geöffnet. Jeweils Mittwoch ist der Eintritt frei. Gruppenführungen können Sie unter 0341-140810 vereinbaren. Die finanzielle Größenordnung für die Führungen variiert je nachdem ob Herfurthsche Villa und/oder Neubau besichtigt werden zwischen 30€ und 70€.
Lesenswert
Zu den Wechselausstellungen gibt es Kataloge direkt vor Ort.