Daniel Libeskind hat nicht nur das Jüdische Museum in Berlin entworfen, sondern auch einen gigantischen Keil in ein Dresdener Gründerzeitgebäude mit militärischer und später militärhistorischer Nutzung getrieben. Wir besuchen das überraschend herausfordernde Museum und eine ehemalige Garnisonskirche in Dresden.
Eine Keilformation war es, mit der die Bomber der Royal British Airforce am 13. Februar 1945 Dresden angegriffen haben – mit dem verheerenden Feuersturm als Folge, der insgesamt bis zu 25.000 Dresdenerinnen und Dresdenern das Leben kostete. Aber eben auch Nazideutschland ein weiteres Stück näher an seine Kapitulation brachte. Bis heute wird um die Notwendigkeit der damals erfolgten Flächenbombardements gestritten; begonnen haben allerdings auch damit die Nationalsozialisten. Schon im Spanischen Bürgerkrieg bombardierte die Deutsche Legion Condor unter dem General von Richthofen 1937 die wehrlose Stadt Guernica im Baskenland. Ein weltberühmtes großformatiges Gemälde von Pablo Picasso (1881-1973) erzählt im Museo Reina Sofia in Madrid bis heute davon. Linke und im Fall von Dresden insbesondere Rechte vereinnahmen die schrecklichen Ereignisse von Krieg, Tod und Leid bis heute, um damit ihren im Zweifel rückwärtsgewandten Zielen neue Nahrung zu bieten. Wir wollen an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Aber wichtig ist die Erwähnung der historischen Ereignisse dennoch, da es auch ein Keil ist, der das Militärhistorische Museum bis weit über seine sächsischen Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat. Es ist der Keil des 1946 geborenen Stararchitekten polnisch-jüdischer Herkunft Daniel Libeskind. Die Spitze aus Glas, Beton und Stahl steckt wie ein Splitter in dem Gründerzeitgebäude, das in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Liebeskind selbst ist über jeglichen Geschichtsrevisionismus erhaben. Zum einen aufgrund seiner eigenen Biographie. Seine Eltern, die den Holocaust überlebt hatten, wanderten 1957 mit dem elfjährigen Daniel nach Israel und drei Jahre darauf in die USA aus. Zum anderen hat er sich als Architekt einen Namen gemacht für Museen von Weltrang mit dem Anspruch, Geschichte einen Raum zu geben, damit sie nicht in Vergessenheit gerät. Architektur als Kommunikation zwischen innen und außen; sowohl zwischen Gebäude und Umgebung, aber auch zwischen Seele und Körper. Und natürlich zwischen Zukunft und Vergangenheit. Das 1999 fertiggestellte Jüdische Museum in Berlin sowie das ebenfalls spektakuläre Contemporary Jewish Museum in San Francisco aus dem Jahr 2008 stammen von ihm und zeugen von einer Erinnerungskultur im Sinne von Nie wieder!
Militärtechnik im Militärhistorischen Museum
So ist es auch wenig verwunderlich, dass es im Museum nicht lediglich um Militärtechnik geht, sondern vielmehr auch um die Ursachen von Gewalt und Krieg. Ein großes Deutsches Geschichtsmuseum mit dem Anspruch gesellschaftlicher Relevanz. Das Grauen soll fassbar gemacht werden, nicht nur detailverliebt auf zweifelsohne faszinierende Technologieentwicklungen gestarrt werden. Denn diese wurde ja immer schon von Militärs (und den dahinterstehenden Staaten) überall in der Welt vorangetrieben. Dennoch findet das Museum Zeit und Raum für die Präsentation von Handfeuerwaffen, Kanonen, Haubitzen und beispielsweise einem Brandtaucher, genannt eiserner Seehund. Es handelt sich um ein Miniatur-U-Boot aus dem Jahr 1850, mit dem unterhalb der Wasserlinie Schiffe oder Hafeninfrastruktur angegriffen werden sollte. Das erste Modell sank tatsächlich zwei Mal, wurde geborgen und steht heute im Militärhistorischen Museum. Eine Geschichte, die wie frühe Ballonfahrten oder Abenteuerexkursionen wegen ihrer visionären Ideen (U-Boot, Torpedos) und ihrem Mut zum Risiko in ihren Bann zieht. Auch wenn der Zweck vielleicht nicht die Mittel heiligt.
Das Militärhistorische Museum – eine Frage von Krieg und Frieden
Die nachdenklicheren Momente vermittelt das Militärhistorische Museum Dresden im oberen Gebäudetrakt. Dort finden sich originale und von Bomben beschädigte Statuen und Bürgersteigplatten aus dem polnischen Wieluń, dem niederländischen Rotterdam und auch aus Dresden. Stumme Zeitzeugen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Krieg bringt allen Menschen Tod und Zerstörung – so ließe sich die Botschaft lesen. Es gibt im Museum Elemente von Kettenkarussells aus der Zeit des Kalten Krieges. Die Kleinen wurden von ihren Eltern in Panzer und Kampfflugzeuge gesetzt. Ein verstörender Kontrast tut sich auf zwischen den fatalen Kriegsfolgen und der Unschuld von Kindern. Natürlich gibt es auch die faszinierten Jungen und Mädchen, die an kleinen Helikoptern vorbeispazieren oder die mitunter von der Decke hängenden Geschosse bewundern. Aber alles wird versucht, im Gleichgewicht zu halten. Vielleicht ist für einen Museumsbesuch dieser Art eine gewisse Haltung notwendig, damit bei dem spielerischen Umgang nicht verloren geht, worum es immer auch geht bei Militärtechnik – um Töten und Getötet Werden. Alles in allem ist das unter der Leitung der Bundeswehrleutnants und anderer Dienstgrade gut gelungen. Da das Museum eine Liegenschaft der Deutschen Bundeswehr ist, sind die Direktoren von der Bundeswehr; und auch niedrigere Ränge leisten hier ihre Dienstzeiten und gehören sozusagen dem Museumspersonal an.
Graf Stauffenberg und das Hitlerattentat vom 20. Juli 1944
Wenn Sie heute mit dem Reisebus zum Militärhistorischen Museum fahren, wird Ihnen nicht nur die Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Garnisonskirche St. Martin mit ihrem hohen Kirchturm und ihrem zweiflügeligen Bau auffallen, sondern als aufmerksamer Reisender entgehen Ihnen sicher auch die Straßennamen nicht. Ein großer Parkplatz bietet sich an der Hans Oster Straße Ecke Stauffenbergallee an. Hans Oster wurde 1887 in Dresden geboren und am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg (gelegen zwischen Nürnberg und Prag) nach einem Schauprozess gehängt. Er brachte es bis zum Generalmajor der Wehrmacht, war aber Zeit seiner Laufbahn in Anschlagspläne gegen Hitler involviert und trieb Umsturzpläne innerhalb des NS-Regimes voran. Er warnte Niederländer und Belgier vor den Angriffsplänen der Wehrmacht und war als Präsident des Reichskriegsgerichtes vorgesehen, falls das Attentat vom 20. Juli um Graf von Stauffenberg (geboren 1907) Erfolg gehabt hätte. Am Tag von Osters Verhaftung, am 21.07.1944, wurde Graf von Stauffenberg mit seinen Verbündeten bereits im Berliner Bendlerblock hingerichtet. Das Militärhistorische Museum Dresden selbst liegt am Olbrichtplatz. Benannt ist der Ort nach dem 1888 in Sachsen geborenen Friedrich Olbricht. Auch er gehörte zur Attentatsgruppe um General von Stauffenberg und wurde ebenfalls am 21. Juli 1944 hingerichtet. Ein weiterer dunkler Tag in der deutschen Geschichte, dem hier an prominentem Ort Tribut gezollt wird. Oder vielmehr ist es eine Verneigung vor dem Widerstandsgeist gegen das Nationalsozialistische Regime, der eben von den Geschwistern Scholl über die Weiße Rose und über Georg Elser (Sprengstoffattentat im Münchener Bürgerbräukeller auf Hitler im Jahr 1939) bis hin zu General von Stauffenberg viele, aber eben viel zu wenige, erfasst hatte.
Die Garnisonskirche am Militärhistorischen Museum
Nach so einem Artikel fällt es nicht ganz leicht, Ihnen noch einen schönen Ort zum Verweilen mitzugeben und eine Empfehlung für ein Essen auszusprechen. Aber natürlich sind Sie das als treue Leserschaft von Buskompass gewohnt und so wollen wir Ihnen beides nicht vorenthalten. Im obersten Stockwerk des Militärhistorischen Museums gibt es das Café Zeitlos, in dem Sie nicht nur Kaffee und Kuchen bekommen, sondern auch kräftigende Speisen nach einem faszinierenden und langen Tag im Museum. Es hat Montag, Dienstag und Donnerstag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet, am Freitag und Samstag von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Am Mittwoch und Sonntag ist es aus unerklärlichen Gründen geschlossen. Wie das Museum selbst ist es barrierefrei zugänglich. Und wenn Sie im Anschluss die 300 Meter zum Parkplatz zurücklaufen, dann nutzen Sie doch die Gelegenheit und schauen sich gleich noch die sehr nah gelegene Garnisonskirche an. Besonders an ihrem Bau ist, dass sie von Anfang an mit zwei Gebäudeteilen sowohl für eine katholische als auch für eine protestantische Nutzung vorgesehen war; das deuten wir mal als Zeichen von aufeinander zugehen. Gewissermaßen als Kontrast nach einem herausfordernden Tag im Museum, der uns gezeigt hat, wie schwer das doch für uns Menschen ist.
Hinweise
- Das Militärhistorische Museum erreichen Sie unter der Telefonnummer 03518232803. Der Eintritt für die Dauerausstellung beträgt 5€ (ermäßigt 3€) – Audioführungen können Sie mit dem Smartphone digital über QR-Codes abrufen oder Sie erkundigen sich beim Besucherservice unter der Rufnummer 0351-8232850. Alternativ können Sie auch eine E-Mail an mhmfuehrungen@bundeswehr.org schreiben
- Für Essensreservierungen größerer Gruppen können Sie im Café Zeitlos unter der Rufnummer 0351-65289250 anrufen
Lesenswert
Von Thomas Karlauf ist 2019 im Karl Blessing Verlag das Buch Stauffenberg – Porträt eines Attentäters erschienen.