Was hat es mit der Löffelfamilie auf sich? Was macht Leipzigs quirligsten Stadtteil heute noch so lebendig wie vor einhundert Jahren?
Das Leipziger Feinkostgelände lockt mit Kultur, Fabrikcharme und Geschichte.
Nachhaltiges Shoppen, solidarisches Miteinander, Flohmärkte, Theater und Sommerkino – alles an einem Ort.
Hinein ins lebendige Getümmel der Südvorstadt!
Als die Einwohnerzahl Leipzigs in der Mitte des 19. Jahrhunderts so langsam auf die Hunderttausend zusteuerte, stieg ganz offensichtlich auch der Bedarf an Grundnahrungsmitteln. Als solches zählte auch Bier und so wurde 1852 eine Brauerei südlich der Stadt Leipzig errichtet. Heute liegt diese ehemalige Fabrik passenderweise in der lebendigen Südvorstadt, an einer der Ausgeh- und Gastronomiemeilen Leipzigs. Vor allem bei der jüngeren und mittelalten Generation ist die Karl-Liebknecht-Straße sehr beliebt. Gebraut wird hier auf dem Feinkostgelände schon lange nicht mehr. Aber von der Karli (so wird die Karl-Liebknecht-Straße liebevoll genannt) zweigt hier noch immer die schmale Braustraße ab, was stets an die ferne Vergangenheit erinnert.
Das Feinkostgelände an der Karl-Liebknecht-Straße
Die Karli hieß übrigens damals in ihrer Verlängerung Südstraße und führt heute von der Südvorstadt in den politisch links und alternativ geprägten Stadtteil Connewitz. Und wenn wir grade beim Wandel der Straßennamen sind: in ihrer düstersten Zeit von 1933-1945 hieß die Karl-Liebknecht-Straße Adolf-Hitler-Straße. So prägt jede Epoche auch den Straßennamen ihren Stempel auf. Ein Umbenennungsversuch in Straße des 17.Juni aus dem Jahr 2002 scheiterte. Somit heißt sie bis auf Weiteres nach dem Mitbegründer der Kommunistischen Partei, der 1919 zusammen mit Rosa Luxemburg in Berlin hingerichtet wurde.
Die Feinkostfabrik vor und nach der Wende
Zur Zeit des Sozialismus herrschte ebenfalls große Betriebsamkeit auf dem Fabrikgelände. Seit 1952 existierte der VEB Leipziger Feinkost, in der Obst und Gemüse ebenso wie Fleisch in Konserven versiegelt wurde. 1992 wurde sie wie so viele Betriebe der ehemaligen DDR von der Treuhand abgewickelt. Aber bis auf ein Areal, das abgerissen wurde, existiert die ehemalige Fabrik noch. Auf dem abgerissenen Areal befindet sich übrigens ein Supermarkt, der fleißig weiter Konserven verkauft. Das unter Denkmalschutz stehende Feinkostgelände selbst ist allerdings seit 2004 eine Genossenschaft und bietet Raum für Gewerbe, Kunst und Kultur. Stolz ist man auf das demokratische bunte Selbstverständnis. Es gibt einen Plattenladen, ein Klamottengeschäft, eine Kinderbuchhandlung und einige mitunter ökologisch und nachhaltig ausgerichtete Geschäfte mehr. Kunsthandwerk, Getöpfertes und Design wird gezeigt und verkauft.
Kultur auf dem Gelände der Leipziger Feinkostfabrik
Durch den großen Innenhof hat das ganze Gelände einen besonderen Charme. Da nicht nur Sie das so empfinden werden, wenn Sie mit dem Reisebus einen Ausflug hierhin unternehmen, sondern weil die ganze Stadt das so sieht, hat sich hier auch viel Freizeitkultur etabliert. Jeden ersten Samstag im Monat gibt es einen Flohmarkt und es gibt Sommertheaterprogramm und Freiluftkino. Hier kommen Menschen zusammen, um gemeinsam etwas zu erleben, um zu essen und zu trinken. So wie die Löffelfamilie auf der riesigen Leuchtreklame mit Kultstatus auf der Straßenecke zur Brauereistraße. Doch was hat es damit eigentlich auf sich?
Ein lebendiger Stadtteil rund um die Karl-Liebknecht-Straße
1973 wurde für den VEB Feinkost eine große Lichtinstallation aus Neonröhren in Auftrag gegeben. Die Familienmitglieder führen ihre Suppenlöffel in endloser Folge von den Tellern zum Mund. Ein Schlaraffenland der Dosensuppen. Für die Arbeiterinnen, es waren vorwiegend Frauen, war die Arbeit allerdings hart und alles andere als von schlaraffenlandähnlichen Zuständen geprägt. In den Kellern, den vormals kühlen Brauereikellern, herrschten teilweise Temperaturen bis 40 C. Bis zu 250 Mitarbeiterinnen arbeiteten hier teilweise im Dreischichtbetrieb. Erbsen, Bohnen und Szegediner Gulasch wurde hier eingekocht und konserviert. Heute sind die Keller zum Großteil noch ungenutzt. Der Umbau und die Verwandlung in Veranstaltungsorte sind immer mal wieder geplant. Vielleicht ist es so weit, wenn Leipzig wie in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wieder 700.000 Einwohner hat. Ein allzu langer Weg scheint es bis dahin nicht mehr zu sein, seit Leipzig im letzten Jahrzehnt zur boomenden City geworden ist. Wenn Sie sich auf den Rückweg zum Reisebus machen, genießen Sie noch ein wenig die Atmosphäre der Karl-Liebknecht-Straße. Es gibt zahlreiche Freisitze, Bars, Restaurants und Cafés. Und wenn Sie wieder daheim sind und Ihnen mal die Zeit für ein kulinarisches Fest fehlen sollte? Dann denken Sie doch bei der nächsten Dose Ravioli einfach mal an die glorreiche Vergangenheit der Konservendose!
Hinweise
- Die Feinkostfabrik finden Sie an der Karl-Liebknecht-Str. 36 / Kontakt 0341-9627755 oder per E-Mail an feinkostbuero@yahoo.de
- Das Gelände selbst ist ebenerdig und somit barrierefrei; es gibt in der Umgebung ausreichend Cafés und Restaurants, so dass Sie sowohl Toiletten als auch zahlreiche Essensgelegenheiten finden
- Ein Reisebus kann am ehesten auf den parallel zur Karl-Liebknecht-Straße verlaufenden August-Bebel-Straße (westlich) oder auf der Bernhard-Göring-Straße (östlich) parken
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In Reiseführern zu Leipzig steht noch viel Informatives zur Leipziger Südvorstadt.