Überall auf der Welt fahren die Menschen mit dem Bus. Hier erzählt die Schriftstellerin Ursula Ziebarth (1921-2018) ein paar Autobusgeschichten aus Kalifornien, Südafrika, dem ehemaligen Jugoslawien und Indien. Ich habe die damals fünfundneunzigjährige Autorin im Sommer 2015 befragt.
Durch Kalifornien und Südafrika
Natürlich bin ich auch mit Bussen gefahren und ich denke gern an die endlosen Fahrten mit den amerikanischen Greyhounds zurück. Die Abfahrtsstellen waren blendend gehalten, das Personal freundlich, was Amerikaner in noch überwiegender Zahl sind. Die Busse sauber, wohl gepflegt, angenehm. Mit den Greyhounds bin ich von San Francisco die Meerstrecke heruntergefahren bis nach San Angelo und Hollywood. Unterwegs immer mal ausgestiegen, mir das Haus von Henry Miller angesehen (1988), er lebte damals nicht mehr, übernachtet in einem kleinen Motel, weitergefahren. Auch sonst bin ich noch herumgefahren in Nordamerika in diesen bequemen Bussen – da war es in Südafrika schon anders. Am Tag des Independence Day wollte ich in Johannesburg sein. Ich war so sicher, dass die Farbigen gewinnen und wollte den Trubel miterleben. Am Morgen dieses denkwürdigen Tages war die Stadt ganz still. Kaum jemand auf der Straße. Nur an den Wahlbüros Menschen. Ich dachte, dass ich nach Soweto wollte, bevor das Wahlergebnis da ist. Große rote Autobusse fuhren dahin. Man durfte als Weißer mit ihnen fahren. Nie jemand tat das. Ich war damals 71 Jahre und ich dachte, wer würde einer älteren Weißen schon etwas tun. Ich stieg also ein, löste das Fahrgeld und stieg ganz schnell die Treppe zum Oberstock hinauf, weil man mich von da nicht rauswerfen konnte. Ich wurde von den dort schon sitzenden Farbigen angestarrt, wie ein Walfisch. Ich lächelte und fragte „ What about Cricket?“ Es waren überall in der Welt Weltmeisterschaften im Cricket-Spiel im Gange und sofort rückten die Menschen um mich herum näher und gaben mir Bescheid, dass gestern Abend Pakistan und unter welchen Umständen gewonnen habe. Ich kannte das Cricket-Spiel gar nicht, aber in der Unterhaltung in Indien, Pakistan und in den Ländern, die von England einst beschattet waren, musste man davon ausgehen, dass nach Cricket zu fragen, als Anlass zum Gespräch gilt. Ich stellte mich vor, sagte, dass ich aus Deutschland käme, in Soweto ein paar Kirchen ansehen wolle und am Abend die Bekanntgabe der Wahl anhören könnte. Naja, es ging alles gut, und am Abend war ich wieder in Johannesburg, auch mit einem roten Bus, der nicht aussah wie die Greyhounds. Das Jubeln, das Toben in der Stadt waren umwerfend. Ich habe mich nicht getraut, wieder auf die Straße zu gehen.
In Montenegro und Indien
Balkanbusse kann ich noch beschreiben. Als Jugoslawien noch war, wie es war, fuhr ich mit dem Bus den Lovćen Pass hoch. Ich wusste ja, dass man da steil hinauf muss, aber nicht, dass es Serpentine um Serpentine abzufahren galt. Ich saß rechts am Fenster und guckte auf reichlich Busse, die einfach an einer Haarnadelkurve den Rand der Straße nicht bekommen hatten, abgestürzt waren und nun da lagen und vor sich hin rosteten. Die Leute wird man lebendig oder tot geborgen haben. Die Busse waren nichts mehr wert und die Staatsmacht kümmerte sich nicht darum, die Landschaft von den Bussen zu räumen. Mir war bange im Bus, aber der Fahrer sagte zu uns allen: „ Machen Sie es wie ich, schließen Sie einfach die Augen!“ Er hatte Humor und wir lachten übermütig.
In Indiens ging’s mir ähnlich: Mit dem Bus fuhr ich von Neu-Dehli in Richtung Mumbai. Gerade Straße, viel Gegenverkehr. Ich saß, wie eigentlich immer, am Fenster. Als ich dann so auf der Mittelstrecke heraus sah, da entdeckte ich einen umgestürzten Bus nach dem anderen, manchen auf dem Rücken liegend. Ich fragte mich herum, wie das möglich sei, die Straße sei doch ohne Kurven. Da hörte ich, dass die Fahrer auf dieser Strecke durchfahren müssten, um ihr sowieso geringes Geld zu verdienen und voll gedröhnt seien mit allen möglichen Rauschmitteln – und da passierte es eben.
Quelle: Ursula Ziebarth, Herumgefahren, Ursula Ziebarth/2016