Eine Verlegerfamilie, eine verschworene Religionsgemeinschaft und ein spätmittelalterlicher Kanzler gehören zu den Vorbesitzern von Schloss Wendhausen in Niedersachsen. Doch erst ein Architekt aus Braunschweig gab dem Wasserschloss seine Identität zurück. Wer mit dem Reisebus kommt, kann außerdem eine Milchtankstelle ansteuern.
Er ruht in der Krypta des Braunschweiger Doms, er machte sich sehr verdient um die Stadt und ihre Verwaltung und er war Kanzler des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel. Die Rede ist von Philipp Ludwig Probst von Wendhausen (1633–1718), dessen Wasserschloss wir heute besuchen. Aber ganz anders als der 150 Jahre vor seiner Geburt verstorbene wilde Heinz von Wolfenbüttel (ehemals Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel) war der Kanzler Philipp Ludwig Probst von Wendhausen kein Hallodri und Betrüger, sondern ein Ehrenmann und Jurist. Weit gereist war Philipp schon in seiner Jugend, die er seit seinem zweiten Lebensjahr ohne Vater bewältigen musste. Nachdem er zur Mitte des 17. Jahrhunderts an der Helmstedter Universität zu studieren begonnen hatte, setzte er seine Studien und seine Karriere auf dem gesamten europäischen Boden fort; nach Oxford und Cambridge verschlug es ihn ebenso, wie ins französische Orléon, ins niederländische Leyden und in die heutige französischsprachige Schweiz, nach Genf. Wir erwähnen den dreimal verheirateten streb- und arbeitsamen Staatsdiener, weil es das Schloss Wendhausen ohne ihn nicht gäbe. Für seine Verdienste bekam er das Grundstück als Lehen übertragen und bebaute, bewohnte und entwickelte es in den 60-er Jahren des 17. Jahrhunderts beharrlich weiter. In der Folgezeit soll allerdings selbst der ansonsten als etwas bieder geltende Jurist große Feste geschmissen haben; im Herzogensaal wurde prunkvoll getafelt, musiziert, getanzt und womöglich auch geliebt. Allerdings blieb Philipp Ludwig Probst von Wendhausen mit einer Tochter aus seinen drei Ehen für seine Zeit nahezu kinderlos. Doch brachte er sein Töchterchen später gut unter die Haube und wurde selbst stolze 85 Jahre alt. Zu zwei weiteren Residenzen hat der in den Adelsstand erhobene Philipp Ludwig Probst von Wendhausen es zu seinen Lebzeiten gebracht. In Riddagshausen (heute ein Stadtteil von Braunschweig) und in Schöningen im Landkreis Helmstedt. Nach Schöningen lockt der Buskompass übrigens mit dem Forschungsmuseum Paläon mit seiner futuristischen Architektur und der Präsentation altsteinzeitlicher Waffen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der Wassergraben von Schloss Wendhausen
Die Geschichte von Schloss Wendhausen begann, als sie eigentlich bereits vorüber war. Denn die aus dem 14. Jahrhundert stammende mittelalterliche Niederungsburg (also eine Burg, die in den Niederungen gebaut wurde) musste wegen ihrer geografischen Lage im Tal mit einem Wassergraben geschützt werden. Dennoch wurde sie bei Unruhen und Protesten Braunschweiger Bürger im Jahr 1433 teilweise zerstört und niedergebrannt. Feuer aufgrund militärischer Auseinandersetzungen setzten der Burg auch im 16. und 17. Jahrhundert zu. Auf den Trümmern und Fundamenten wurde zu Ende des 17. Jahrhunderts das Schloss Wendhausen errichtet. Der große Wassergraben, der einmal das Schloss selbst und darüber hinaus einen durch eine Brücke verbundenen weitläufigen Garten umschloss, wurde beibehalten und ist bis heute erhalten. Der barocke Garten allerdings, den Philipp Ludwig Probst von Wendhausen dem Zeitgeist entsprechend anlegen ließ, existiert heute nicht mehr. Auch vier von ihm selbst errichtete kleine Kavaliershäuser auf dem Areal ließ er bereits zu seinen Lebzeiten wieder abreißen. Der Wassergraben konnte erhalten werden, da der Bach Schunter etwa 100 Meter südlich des Wassergrabens vorbeifließt. Seit jeher speist er den Burggraben. Die steinernen Brücken, die in den großen Schlossinnenhof führen, sind der einzige Zugang zum Gebäude, welches sich heute im Privatbesitz des Architekten befindet, der es auch in den frühen 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts aufwendig sanieren ließ. Dem Besitzer ist zu verdanken, dass die Fassade nur grob verputzt und von Pflanzen bewachsen ist; hier sollte keine falsche Scheinwelt entstehen, sondern die Wirklichkeit und Funktionalität der dreiflügeligen Schlossanlage in den Vordergrund gestellt werden. Dafür gab es den niedersächsischen Landespreis für Denkmalpflege. Es muss ja optisch nicht immer Schloss Neuschwanstein sein.
Rundgang um das Schloss Wendhausen
Wenn wir die verwunschene Brücke betreten, die auf das Schloss zuführt, erblicken wir zwei an Wölfe, Dämonen oder Löwen erinnernde Skulpturen, die zwischen ihren Klauen das Wappen halten, welches Schloss Wendhausen und seine Geschichte ehrt. Sie thronen oberhalb des Torsturzes, der das Kopfstück eines prächtigen Rundbogentors bildet. Durch das Tor hindurch gelangen wir in den Innenhof, das Herz der Schlossanlage. Da hier auch eingemietete Firmen arbeiten, dürfen wir ruhig einen Blick riskieren; öffentliche Führungen durch die Räumlichkeiten gibt es allerdings nicht. Das ist besonders bedauerlich, da der Herzogensaal einen vornehmen Holzboden, weiße, mit Ornamenten verzierte Wände und zwei Kaminstellen aufweist. Hier würde man gerne verweilen, aber das ist leider nur im Rahmen von Sonderveranstaltungen möglich. Daher wollen wir uns vor einem Rundgang um das Schloss noch ein wenig mit der skurrilen Vergangenheit des Gebäudes mit dem morbiden Charme beschäftigen: Am kuriosesten war vielleicht eine islamisch-mystische Bewegung, die sogenannten Subud-Bruderschaft von der indonesischen Insel Java, die hier vor einigen Jahrzehnten lebte. Davor war das Schloss Wendhausen Kindergarten, Unterschlupf für Heimatvertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg und Lazarett. Im 19. Jahrhundert hatte hier ein Braunschweiger Verlag residiert; er war im Eigentum der Familie Vieweg, die auch Pferde züchtete und die Windmühle von Wendhausen errichten ließ. Sie kann einmal pro Monat zum Tag der offenen Mühle besichtigt werden und liegt nur etwa 400 Meter südlich des Schlosses Wendhausen an der kleinen Hauptstraße. Hier liegt auch das Müllerhaus Café, welches ebenfalls an den Tagen der offenen Mühlen geöffnet hat. Über regelmäßige Öffnungszeiten während des Sommers 2024 war bis zum Redaktionsschluss von Buskompass leider noch nichts in Erfahrung zu bringen. Wollen Sie dort für die Reisebusgruppe reservieren, wenden Sie sich bitte an die bei den Hinweisen hinterlegten Kontaktdaten.
Milch tanken an der A2
Wer vor der Rückreise noch ein kleines Abenteuer wünscht und sich eine schöne Erinnerung aus Wendhausen mitnehmen möchte, dem empfehlen wir einen kurzen Ausflug zur Milchtankstelle südlich der A2. Vom Schloss Wendhausen aus sind es nur wenige Fahrminuten mit dem Reisebus. Das Besondere an einer Milchtankstelle ist, dass es dort unbehandelte Rohmilch frisch aus einem Automaten gibt. Örtliche Erzeuger beliefern die Milchtankstelle, es gibt frische Glasflaschen vor Ort und beim Selbstabfüllen kommt ein Gefühl auf, wie wenn man selbst zu einem Bauernhof in den Stall geht. Außerdem gibt es dort den Tierpark Essehof, der auch einen Ausflug wert ist und über den der Buskompass ebenfalls schon berichtet hat. Aber jetzt lassen Sie sich erst mal die frische Milch schmecken; nur Achtung: Die Milch sollte aus hygienischen und gesundheitlichen Gründen vor dem Trinken unbedingt kurz abgekocht werden. Dann ist sie auch zwei, drei Tage haltbar und schmeckt immer noch fantastisch!
Hinweise
Das Schloss Wendhausen liegt an der Hauptstraße 19 in 38165 Wendhausen (Lehre). Einen Parkplatz für den Reisebus finden Sie direkt an der Hauptstraße etwas südlich vom Schloss Wendhausen. Nach Wendhausen kommen Sie über die A2 (Abfahrt Braunschweig-Ost). Es gibt keine offiziellen Besuchszeiten, da das Schloss in Privatbesitz ist und lediglich Firmen im Schloss eingemietet sind.
Das Müllerhaus Café in der Hauptstraße 5 in 38165 Wendhausen (Lehre) erreichen Sie unter der Telefonnummer: 05309-9705383 / Auch unter der E-Mail-Adresse muellerhaus-cafe-wendhausen@gmx.de können Sie sich über die neuen Öffnungszeiten im Sommer 2024 erkundigen und Ihren Besuch mit der Busreisegruppe planen.
Die Windmühle Wendhausen erreichen Sie unter der Telefonnummer 0160-94970481 oder Sie schreiben eine E-Mail an windmuehle-wendhausen@online.de / Die Tage der offenen Mühle sind im Jahr 2024 am 07. April, 05. Mai, 02. Juni, 07. Juli, 04. August und 06. Oktober. Jeweils von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr ist dann geöffnet. Die Windmühle Wendhausen liegt an der Hauptstraße 5 in 38165 Wendhausen (Lehre).
Die Milchtankstelle liegt beim Tierpark Essehof südlich der A2. Die Ausfahrt ist ebenfalls Braunschweig-Ost. Ihre Adresse lautet Im Altdorf 9 in 38165 Lehre.