Haben Sie schon einmal einen Urlaub in Brandenburg verbracht? Im Frühjahr erwartet Sie Storchgeklapper und im Herbst der Zug der Kraniche. Alte Gemäuer, Teichlandschaften und Wanderwege laden ein zu einem besonders naturverbundenen Ausflug mit dem Reisebus.
Der Vogelzug der Kraniche ist es, der die Menschen jeden Herbst ins frühere Urstromtal in das heutige Brandenburg zieht. Dort, wo vor Jahrtausenden Gletschermoränen bis in die norddeutschen Tiefebenen vorgestoßen sind und die Landschaften für immer geprägt haben, fiel später das Gelände langsam wieder trocken. Aus den sumpfigen Landschaften bildeten sich feuchte Niedermoore. Ein solches ist das Obere Rhinluch, welches kurz vor dem brandenburgischen Fehrbellin liegt, etwa eine Busreisestunde nordwestlich von Berlin. Ein Luch ist ein Feuchtgebiet; und als solches wird es gespeist von Regen und von Fließgewässern. Hier, in einem weit über 110 Quadratkilometer großen Gebiet nördlich der Autobahn Hamburg-Berlin ist es der Rhin, ein später in die Havel mündender Fluss, der die Felder mit Feuchtigkeit flutet. Zumindest dort, wo diese nicht durch Kanäle entwässert werden. Der Rhin kommt aus der Region Oranienburg, fließt an Kremmen mit seinem historischen Scheunenviertel vorbei und ist bei seiner Ankunft in Linum lebensspendende Kraft für zehntausende durchreisende Vögel; insbesondere für Kraniche.
Kranichtouren in Brandenburg
Vor ihrem Weiterflug in die wärmeren Überwinterungsgebiete Nordafrikas rasten die sozialen, grau gefiederten großen Vögel in Regionen wie dem Teichland Linum in Brandenburg. Es sind zehntausende Vögel, die hier pro Saison durchziehen. Abends bei Dämmerung kommen sie von ihren Futterplätzen (etwa abgeerntete Maisfelder) und sammeln sich an ihren Schlafplätzen. Der Graue Kranich (Grus grus) kann 1,30 Meter groß werden und hat eine Flügelspannweite von über zwei Metern. Von Reihern kann man ihn auseinanderhalten, da der Kranich um Kopf und Hals herum schwarz, weiß und rötlich erscheint. Ein wunderschön wirkender Kontrast zu den verschiedenen Grautönen seines sonstigen Gefieders. Die Kraniche brauchen die Futterreserven für ihren viele tausende Kilometer langen Flug; nicht umsonst trägt eine große deutsche Fluggesellschaft seit über einhundert Jahren den Vogel in ihrem Logo. Begleitet werden die erfahrenen Altvögel dabei von ihren erst etwa fünf Monate alten Jungvögeln. Diese machen das alles zum ersten Mal und der Flug ist voller Gefahren; vor allem ist er Kräfte verzehrend. Man denke nur einmal an den Überflug der Alpen. Wenn Sie Kraniche in der Gegend des Teichlandes Linum beobachten wollen, sei Ihnen daher schon mal Folgendes mit auf den Weg gegeben: Bitte nähern Sie sich dem Glück bringenden Vogel nicht auf mehr als 200-300 Meter. Denn sonst unterschreiten Sie die Fluchtdistanz der Vögel und diese erheben sich in großen Gruppen in die Lüfte. Das verbraucht unzählige Kalorien, die dann bei der langen Reise nach Afrika fehlen. Also nehmen Sie unbedingt ein Fernglas mit, wenn Sie in der Zeit von Ende September bis Mitte November in diese Region Brandenburgs reisen. Das kann dann auch Verwendung finden, wenn Sie sich im Vorfeld Ihrer Busreise zu einer der begehrten geführten Kranichtouren anmelden.
Die Kraniche im Teichland Linum
Angeboten werden die Kranichtouren vom Naturschutzzentrum Storchenschmiede Linum. In Kooperation mit dem NABU (Naturschutzbund) gibt es hier zur Vogelzugsaison an Freitagen, Samstagen und Sonntagen die Gelegenheit, an zwei bis vier Kilometer langen Touren zur Vogelbeobachtung teilzunehmen. Gestartet wird 1,5 h vor Sonnenuntergang, damit Sie den abendlichen Landeanflug der Kraniche keinesfalls verpassen. Zu bestimmten Terminen (informieren Sie sich bitte bei der Storchenschmiede) werden auch morgendliche Führungen angeboten, die noch vor Sonnenaufgang beginnen. Dann erleben Sie das Starten der Großvögel und Sie können ihnen ein letztes Mal nachwinken, bevor sie sich auf ihren langen Weg nach Süden machen. Vielleicht fliegen sie auch erst mal nur zum nah gelegenen, frisch abgeernteten Maisfeld, um sich ausreichend mit Nahrung zu versorgen. Die Kraniche sind nicht nur Vegetarier: Auf den frisch abgeernteten Feldern ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihnen Würmer, Insekten und kleine Nagetiere in den Schnabel gehen. Auf feuchten Wiesen gibt es Frösche, an den Teichen natürlich auch mal einen leckeren Fisch. Den reich gedeckten Tisch stellt die brandenburgische Natur des Großraums Fehrbellin dem Kranich entgeltfrei vor den Schnabel. Sie müssen für die lohnenswerten, fachkundigen und geführten Touren etwa 10 € investieren; die Brotstulle müssen Sie sich dabei allerdings selbst mitbringen. Im Frühjahr gehört das Teichland Linum dann ganz den Störchen.
Das Teichland Linum kulturell: Geschichten vom Torf und von der Neogotik
Wenn Ende März oder Anfang April die ersten Störche aus ihren Winterquartieren zurückkehren, geht es laut her in Linum. Da wird mit Schnäbeln geklappert und am Nest gebaut. Rivalen werden vertrieben und Storch und Storchendame umwerben sich. Zu dieser Jahreszeit (Anfang April) öffnet auch die Storchenschmiede, die direkt gegenüber der Dorfkirche von Linum liegt. Auf der neogotischen Kirche aus Feld- und Backsteinen wurde selbstverständlich auch schon gebrütet. In der kleinen Dauerausstellung in der Storchenschmiede erfahren Sie nicht nur allerhand Wissenswertes zum Storchenleben, sondern Sie können auch über eine Kamera den Horst beobachten, welcher auf einer eigens angebotenen Plattform auf dem Dach der Storchenschmiede jedes Jahr aufs Neue von Störchen gebaut wird. Horst wird das Nest genannt, welches Greifvögel und Großvögel wie der Storch errichten. Auch großformatige Fotografien von Kranichen und konservierte Präparate (umgangssprachlich: ausgestopfte Exemplare) der schönen Vögel können an Ort und Stelle bewundert werden. Sie müssen also keinesfalls scheuen, Ihren Reisebusausflug außerhalb der Hauptvogelzugsaison anzutreten. Auf diese Weise bleibt mehr Zeit für die Theorie: So können Sie beispielsweise im Museum lernen, dass Linum (welches zur Gemeinde Fehrbellin gehört) zwei Torfspaten im Wappen trägt. Aus den Moorlandschaften wurden nämlich nährstoffreiche Torfgebiete; von Wasser umschlossenes Pflanzenmaterial vergeht nicht und die organische Kraft wird erhalten und gespeichert. Erst mit Aufkommen der Kohle war der Niedergang der Torfindustrie verbunden – das war Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts; bis dahin hatte man sehr erfolgreich mit dem Torf geheizt. Das Ende der Torfstecherei war zunächst eine wahre Erholung für die Natur in der Gegend von Linum. Die entwässernden Kanäle gingen mit der Zeit kaputt und so konnte die Feuchtigkeit und mit ihr das Leben zurückkehren. Das Teichland Linum entstand. Wenn wir aus dem kleinen Museum heraustreten, können wir uns auch noch einmal Zeit nehmen für die schon erwähnte Dorfkirche. Abgesehen davon, dass sie Jahrhunderte alte Glocken in ihrem Inneren verborgen hält, ist bemerkenswert, dass sie als Feldsteinkirche begann und dann mit Klinker erweitert wurde. Der Turm stammt aus den 70-er Jahren des 19. Jahrhunderts; also aus genau der Zeit, in der es dann so langsam mit dem Stechen von Torf zu Ende ging. Von Westen aus blickt man auf die Ostseite der Kathedrale mit ihren vielen neogotischen Formen, mit ihren langgestreckten hohen Fenstern (oder was von Ihnen übrig ist) und der gezackt wirkenden Fassade. Ein mittelalterliches Ideal sollte hier wieder aufleben – Historismus in der Abenddämmerung vor dem 20. Jahrhundert. Kurz darauf sollten wirklich neue Zeiten anbrechen und das bei weitem nicht nur in der Architektur und Kunst. Industrialisierung und gesellschaftliche Veränderungen griffen in ganz Europa um sich. An so manch anderen geschichtsträchtigen Ort führt Sie erfreulicherweise als treuer Begleiter auch der Buskompass.
Hinweise
Die Storchenschmiede Linum mit NABU-Museum zum Vogelzug und der Region finden Sie in der Nauener Straße 54 in 16833 Linum/Fehrbellin.
Kontakt zur Storchenschmiede: 033922-50500 oder E-Mail an kontakt@storchenschmiede.org / Öffnungszeiten vom 1. April bis zum Ende der Kranichsaison im Spätherbst: Freitag 10.00 Uhr – 17.00 Uhr; Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11.00 Uhr – 18.00 Uhr / Außerdem sind mit größeren Gruppen Termine nach Absprache möglich.
Die Dorfkirche Linum befindet sich schräg gegenüber der Storchenschmiede Linum an der Nauener Straße 49 in 16833 Linum/Fehrbellin.
Ein Parkplatz im Zentrum des Teichlandes Linum ist für Reisebusse wegen seiner Größe eher ungeeignet. Besser ist, Sie parken einen halben Kilometer weiter südlich an der Straße Zu den Teichen und laufen dann über den Breiten Graben in die Teichlandschaft hinein.
Mit dem Reisebus nehmen Sie auf der A24 zwischen Berlin und Hamburg die Ausfahrt Kremmen und fahren noch vor Kremmen von der L170 auf die L162 in Richtung Fehrbellin; dann fahren Sie automatisch durch Linum; linkerhand liegt dann die Dorfkirche, schräg gegenüber das NABU-Museum in der Storchenschmiede.
Lesenswert
Es ist gut, ein vogelkundliches Bestimmungsbuch für den Ausflug mitzunehmen. Denn im Teichland Linum gibt es natürlich nicht nur Kraniche und Störche zu beobachten, sondern ganzjährig auch zahlreiche andere Vögel.