Warum wurde der Theologe Thomas Müntzer zum Gegenspieler von Martin Luther? Wissen Sie, wann die Bauernkriege tobten? Und kennen Sie das schreckliche Ende des Kämpfers für die Unterdrückten? Auf der wunderschönen Wasserburg Heldrungen erfahren wir mehr. Außerdem gibt es zwei Wassergräben, auf denen Sie sogar Bötchen fahren können!
Das Fallgitter vor dem Tunnel der inneren Burganlage zieht sich unter Ächzen langsam auf. Langsam schreiten auch die Schergen des Adels mit Thomas Müntzer (1489-1525) in ihrer Mitte hindurch. Anders wäre es auch gar nicht mehr gegangen; der geschundene Revolutionär des Bauernkrieges (1524-1526) war auf der hochgesicherten, von zwei gefluteten Wassergräben umgebenen Wasserburg Heldrungen gefoltert und gedemütigt worden. Er musste einen Brief verfassen, in dem er die Aufständischen dazu aufrief, von der Gewalt abzulassen, mit der jene im Kampf für mehr Gerechtigkeit das Land überzogen hatten. Von der Schweiz über Baden, Schwaben, Franken und bis nach Thüringen und Sachsen hatten Bauern, Handwerker und Bergleute vergeblich in Aufständen für eine Veränderung der Gesellschaft gekämpft, gegen ihre Armut und gegen die Ungerechtigkeiten. Gegen den Reichtum des Adels und der Kirche. Da war es umso bemerkenswerter, dass sich ein Theologe aus der Zeit Martin Luthers den Umsturzversuchen anschloss. Als Pfarrer im thüringischen Mühlhausen predigte er im Sinne der Revolution; er führte in seinem Wirkungsbereich Armenküchen ein, schuf Unterkünfte für Obdachlose und selbst Klöster wurden aufgelöst. Von Thomas Müntzer wird überliefert, er habe sich dem in einem Stall geborenen Jesus von Nazareth verschrieben und leide mit den Armen und Benachteiligten; schließlich kämpfte er an deren Seite, was ihm ein grausames Ende einbrachte. In der Schlacht von Frankenhausen in der Nähe des heutigen Kyffhäuserdenkmals wurde er nach der brutalen Niederschlagung des Aufstandes am 15. Mai 1525 gefangengenommen und zur Wasserburg Heldrungen verbracht. Nachdem er dort eingekerkert und gefoltert wurde, ist er zu seiner öffentlichen Enthauptung nach Mühlhausen gebracht wurden. In die Stadt, in welcher er in der Marienkirche gepredigt hatte. Sein Haupt wurde auf einen Pfahl gespießt und zur Schau gestellt.
Die Wasserburg Heldrungen war eine Festung
Der geschichtsträchtige Ort, den wir heute aufsuchen, ist inzwischen eine Jugendherberge, aber das Außengelände kann ganzjährig frei besichtigt werden. Und das lohnt, denn die im 16. Jahrhundert zum Residenzschloss umgebaute Burg hat einiges zu bieten. Am imposantesten ist sicherlich die Tatsache, dass sie von zwei Wassergräben umgeben ist. Das umgesetzte Festungskonzept hatte ein berühmtes Vorbild: Der französische General Sébastien de Vauban (1633-1707), unter anderem berühmt für seine Festung in Neu-Breisach an der deutsch-französischen Grenze, hatte als Architekt den Bau von Verteidigungsanlagen optimiert. Am Bau dutzender Festungsanlagen war er unmittelbar beteiligt gewesen und er hatte an ebenso vielen Belagerungen und Eroberungen von Burgen, Zitadellen, Wehrtürmen und Festungen teilgenommen. Er erfand den Prellschuss mit Kanonenkugeln; eine Militärtechnik, bei der Kanonenkugeln im flachen Winkel aufprallten, um durch ihr Abspringen weitere Reichweiten zu erlangen und mehr Schäden hervorzurufen. Kurz, ein Meister seines Faches. Mit seinen Entwürfen als Vorbild gelang es im 16. Jahrhundert die Festung so umzugestalten, dass sie vehementen Angriffen standhalten konnte. In den Bauernkriegen bot sie beispielsweise Schutz für zur Wasserburg Heldrungen geflohene Adelige. Doch nichts währt für die Ewigkeit. Letztlich wurde auch die Burg im Vaubanstil erobert; im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) war es so weit. 1632 wurde die Wasserburg Heldrungen erobert und alle in ihr lebenden, arbeitenden und kämpfenden Bewohner getötet. Von diesem Tiefpunkt hat sich der Ort letztlich nie wieder erholt. Ab 1680 verfielen Burg- und Schlossanlage zunehmend und als sie im frühen 19. Jahrhundert nach dem Wiener Kongress von 1815 den Preußen zugeschlagen worden war, verlor sie aufgrund ihrer Lage nach und nach auch ihre militärische Bedeutung.
Die Geschichte der Wasserburg Heldrungen
Die Anfänge von Wasserburg Heldrungen reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Anfang des 16. Jahrhunderts erfolgt der Ausbau zum Residenz- und Renaissanceschloss. Im Jahr 1519 entstehen auch bereits die zwei Wassergräben, was eine doppelte Sicherung zur Folge hatte. Damals waren auch noch keine Erdwälle aufgeschüttet worden, sondern Zugbrücken überspannten die Gräben. Heute können wir uns auf dem Außengelände frei bewegen, auf dem Wassergraben kann sogar Bötchen gefahren werden. Fragen Sie dafür bitte in der Jugendherberge nach – denn als solche wird Wasserburg Heldrungen heute betrieben. Sanierungen zur DDR-Zeit und auch seit dem Jahr 2011 haben das alte Festungsglanzlicht wieder auferstehen lassen und vor dem Verfall gerettet. Der Hauptzugang von außerhalb über den ersten Wassergraben wird von einer stattlichen Toranlage geschützt. Zwei Rondelle, die an abgeschnittene Türme erinnern, machen erfahrbar, dass hier über lange Zeit nur hinein konnte, wer auch hinein durfte. Zu friedlichen Zeiten, in denen wir uns mit dem Reisebus durch das schöne Thüringen bewegen, sieht das natürlich ganz anders aus. Auch wenn die Anlage trutzig wirkt, fühlt man sich besonders in den Frühjahrs- und Sommermonaten besonders willkommen.
Der Thomas Müntzer Turm auf der Wasserburg Heldrungen
Es gibt übrigens tatsächlich einen gekürzten Turm auf dem Gelände. Es ist der Turm, in dem Thomas Müntzer eingekerkert war. Wie jener wurde auch das Bauwerk bildlich gesprochen einen Kopf kürzer gemacht; bei einem der vielen Umbauten sollte eine einheitliche Dachtraufe hergestellt werden. Der den Rest der Wasserburg Heldrungen überragende Wehrturm musste also abgetragen werden. Zum Glück finden große Steine bei dem Umbau einer Burganlage dankbare Abnehmer unter den jeweils aktuellen Architekten und Besitzern. Im 18. Jahrhundert wurde die Anlage zum Teil Lager für Getreide und ein Amtssitz der Gerichtssprechung mit angeschlossenem Gefängnis. Wenig ruhmreich zu den Lebzeiten von Thomas Müntzer erprobt.
Im Mittelalter auf der Wasserburg Heldrungen
Wir wollen uns noch einmal hineinversetzen in die Zeit des Mittelalters. Der lange Gang durch die Toranlage und das funktionstüchtige Falltor machen Eindruck. Ebenso die Rondelle in den Ecken der inneren Burganlage mit Blick auf den Wassergraben. Überhaupt gibt es unheimlich viele gute Fotomotive. Das Wasser, die alten Steine, die roten Dächer und die Weite des Himmels lassen sich künstlerisch einfangen und vielleicht findet auch Ihre Reisegruppe Gefallen daran, sich auf außergewöhnliche Motivsuche zu begeben. Auch der langgezogene ehemalige Reitstall ist beeindruckend. Vor unserem inneren Auge sprengen die Pferde aus dem am Kopfende mit Fachwerk geschmückten Gebäude heraus, traben unruhig in der Burganlage umher, schnauben mit den Nüstern. Dann endlich werden die Zugbrücken heruntergelassen und die Rösser galoppieren ins Freie und durch die damals schon legendären thüringischen Wälder. Jagdreviere umgaben die Wasserburg Heldrungen und das etwa 30 Kilometer entfernte Erfurt war gut erreichbar.
Denkmal für Thomas Müntzer auf der Wasserburg Heldrungen
Wollen wir noch ein letztes Mal für heute gemeinsam Thomas Müntzer gedenken. Besonders gut geht das an einer eindrucksvollen Skulptur, die den Revolutionär und Reformator, den Prediger und Kämpfer für mehr Gerechtigkeit bei seiner Gewahrsamnahme nach der Schlacht von Frankenberg zeigt. Der in Halberstadt verstorbene Bildhauer Johann-Peter Hinz (1941-2007) und der 1944 geborenen Künstler Hans Richter haben das Denkmal entworfen. In seiner bedrückenden Blockhaftigkeit und dem grauen Stein vermittelt es etwas von der Enge der Zeit, in der freie Gedanken und umso mehr revolutionäre Taten die bestehenden Hierarchien bedrohten. Ein Denkmal, das 1976, also zu DDR-Zeiten entstanden ist. Es drängt sich einem das Gefühl auf, dass hier nicht nur das 16. Jahrhundert abgebildet werden sollte. Am besten Sie machen sich selbst ein Bild von der künstlerischen Freiheit.
Hinweise
Auf Anfrage besteht auch die Möglichkeit zu ausgewählten Terminen als Gruppe die Wasserburg Heldrungen von innen zu besichtigen. Dafür wenden Sie sich bitte im Vorfeld an die Jugendherberge. Die erreichen Sie per E-Mail unter heldrungen@jugendherberge.de oder noch einfacher unter der Telefonnummer 036473-91224
Die Wasserburg Heldrungen liegt in der Schloßstraße 13 in 06577 Schmücke Heldrungen
Zur Anreise nehmen Sie Ausfahrt Heldrungen auf der A71 und fahren dann über die B86; Parken mit dem Reisebus unbedingt außerhalb der Burganlage
Lesenswert
Eric Vuillards historischer Roman Der Krieg der Armen über das Leben von Thomas Müntzer ist klar politisch zu verstehen, kostet 16 € und ist 2020 erschienen