Raben fliegen um den Kyffhäuser und in einer Höhle aus Mineralien ruht der Kaiser Barbarossa. Wir entführen Sie in faszinierende thüringische Unterwelten und bringen Ihnen die ganz große Geschichte nahe. Vom Heiligen Römischen Reich bis zum Kaiserreich unter Kaiser Wilhelm I.
Der alte Barbarossa / der Kaiser Friederich / im unterirdischen Schlosse / hält er verzaubert sich // Er ist niemals gestorben / er lebt darin noch jetzt / er hat im Schloss verborgen / zum Schlaf sich hingesetzt. So lauten die ersten Verse des Gedichtes Barbarossa von Friedrich Rückert (1788-1866) aus dem Jahr 1817. Es ist das Jahr Zwei nach dem Wiener Kongress und das Jahr des Wartburg Festes. Bei diesem wurden wie später beim Hambacher Fest (1832) und bei der Deutschen Revolution von 1848/1849 liberale und demokratische Ideen zur Gründung eines Deutschen parlamentarischen Nationalstaates formuliert. Es wurde auch versucht, diesen zu erkämpfen, doch die preußischen Truppen schlugen die Aufstände nieder. Die in der Frankfurter Paulskirche errungene Idee, den preußischen König zum Deutschen Kaiser zu machen, lehnte dieser ab. Eine von einem demokratischen Parlament verliehene Kaiserwürde könne man nur zurückweisen, denn damit wolle man ihn, den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) mit einem Hundehalsband an die Revolution von 1848 ketten. Sein Bruder, der ab 1858 die Amtsgeschäfte als 61-jähriger damaliger Prinz von Preußen übernahm, ist kein Geringerer als der spätere Kaiser Wilhelm I. (1797-1888). Wie war es dazu gekommen, warum war die Ausrufung zum Kaiser nun möglich und was hat Kaiser Barbarossa damit zu tun? Um solchen Fragen auf den Grund zu gehen, besuchen wir bei unserem heutigen Ausflug mit dem Reisebus die Barbarossahöhle im thüringischen Kyffhäusergebirge.
Die Barbarossahöhle am Kyffhäuser
Doch wir machen keinen Ausflug zu einem Geschichtsseminar, sondern in den thüringischen Geopark Kyffhäuser. Genau genommen geht es zum südöstlichen Ausläufer des Kyffhäusergebirges, auf dessen bekanntester Erhebung (dem Kyffhäuser) das monumentale Kyffhäuserdenkmal vom Ende des 19. Jahrhunderts thront. Ein Ausflug dorthin lässt sich gut mit unserem heutigen Zielort verbinden. Die Barbarossahöhle liegt nur gut 6 Kilometer Luftlinie vom Kyffhäuserdenkmal entfernt; und etwa 200 Meter tiefer in der Ebene, falls Sie jetzt auf die etwas übermütige Idee kommen sollten, die Strecke zu Fuß zurücklegen zu wollen. Dann ziehen wir doch den bequemen Reisebus vor. Aber bevor es hinauf in luftige Höhen geht, steigen wir hinab in die Tiefe des Berges. In die Barbarossahöhle führt ein etwa 800 Meter langer, unebener und durchaus glitschiger Pfad, was auch an den über 90% Luftfeuchtigkeit liegt. Im Innern hat es ganzjährig eine Temperatur von rund 10 Grad Celsius; im Sommer also bitte an warme Kleidung denken. Bevor wir die ausschließlich mit Führungen begehbare Barbarossahöhle entdecken, können wir uns ausführlich im ortsansässigen Informationszentrum Kyffhäuser über die Region, den Kyffhäuser, das Kyffhäuserdenkmal, die Höhle und seine Geologie erkundigen.
In den Tiefen der Barbarossahöhle
Aber nun geht es hinein in die Barbarossahöhle! Die Anhydrithgewölbe sind Teil einer Schauhöhle, welche Besuchergruppen bis maximal 80 Personen einen Rundgang durch verschiedene Bereiche und durch die von der Natur geschaffenen Räume ermöglicht. Anhydrit ist ein Mineral, das sich bei Kontakt mit Wasser in Gips umwandelt – und in der Barbarossahöhle ist es sehr feucht. Folglich gibt es kleine Seen und von den Decken hängen eigenartige, an Fell- oder Tapetenfetzen erinnernde Gebilde; diese Lappen aus Gips wachsen jährlich um mehrere Zentimeter und wenn ihr Eigengewicht zu schwer wird, stürzen sie zu Boden oder in die wunderbar ausgeleuchteten Kleingewässer. Schlangenlinienartige Formationen und Muster zieren die Wände. Die Barbarossahöhle ist zwar nicht barrierefrei, weil nach der etwa einstündigen Führung dutzende Stufen etwa zwanzig Meter hinauf und zurück ans Tageslicht führen, aber mit festem Schuhwerk ist sie wunderbar begehbar.
Barbarossa in seiner Höhle
Es riecht nach Mineralien und Gestein. Die eigenen Schritte hallen von den Wänden wieder und die stimmungsvoll eingesetzten Lichter sorgen nicht nur für Sicherheit auf dem Weg durch die Höhle, sondern sorgen dafür, dass sich die Wände und Decken in den kleinen Teichen spiegeln. Es gibt einen Dom, einen Tanzsaal und einen Olymp in der Barbarossahöhle. Je nach Felsformation und Schichtbildung des sich in Gips verwandelnden Anhydrites wurden die Namen ausgewählt; während der Führungen (die stündlich starten und für die Sie sich ab einer Gruppengröße von 15 Personen bitte im Vorfeld anmelden) erfahren Sie einiges dazu. Schließlich gelangen Sie auch an einen Tisch aus Fels und einen steinernen Stuhl, der die Form eines Thrones hat. Damit sind Sie bereits mittendrin in der Legende um den alten rotbärtigen Stauferkönig, der im wahren Leben im 12. Jahrhundert zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurde. Doch wie ist er hier unten hin gelangt? Mit einem langen Bart ruht er auf einer steinernen Bank in den Gewölben der nach ihm benannten Höhle; dafür braucht es zwar ähnlich wie beim Schauen von Wolkenbildern etwas Fantasie, aber die bringen unsere abenteuerlustigen Buskompass-Ausflügler mit Sicherheit mit.
Die Sage von Kaiser Barbarossa
Er reckt und streckt sich. Ganz langsam nur hebt er seine Augenlider und die Dunkelheit der Höhle bringt kein Licht in seine Augen. Barbarossa tastet nach seinem Bart, der inzwischen zwei Mal um seinen Tisch herum gewachsen ist. Seine Knochen sind schwer und er muss ein Stöhnen unterdrücken. Hundert Jahre hat er wieder einmal geschlafen und nun ist es erneut Zeit danach zu sehen, ob sich die Prophezeiung erfüllt. Das bedeutet, dass Kaiser Barbarossa nach seinem Ableben von Zeit zu Zeit erwacht und ans Tageslicht tritt. Der Tod wurde übrigens nicht als solcher bezeichnet, vielmehr war von einer mystisch anmutenden Bergentrückung die Rede. Im wahren Leben ertrank Kaiser Friedrich I. auf seinem dritten Kreuzzug fern der Heimat in einem Fluss. Unser erwachender Barbarossa unter dem Kyffhäuser geht alle einhundert Jahre selbst hinaus oder schickt einen seiner ihn umsorgenden Zwerge. Dort oben am Licht gilt es zu prüfen, ob noch immer schwarze Raben um den Kyffhäuser kreisen. Ist das eines Tages nicht mehr der Fall, dann ist die Zeit für seine Rückkehr gekommen; andernfalls versinkt er für weitere einhundert Jahre in tiefen, festen, steinernen Schlaf. So geht die Legende, welche zunächst auf Karl den Großen (748-814), dann auf Barbarossas Nachfolger Friedrich II. und letztlich auf Kaiser Barbarossa Friedrich I. selbst projiziert wurde. Die Kreativität des Volkes und der Herrschenden ist zu allen Zeiten umwerfend.
Von der Barbarossahöhle zum Kyffhäuserdenkmal
Kehren wir zum Abschluss noch einmal zu Kaiser Wilhelm I. zurück und lassen wir unsere Gedanken in unseren Kopf kreisen wie die Raben um den Kyffhäuser in der Sage von König Barbarossa. Natürlich hat es den Stauferkönig und späteren Kaiser wirklich gegeben im 12. Jahrhundert. Davon legt nicht zuletzt die Reichsburg Kyffhausen Zeugnis ab. Sie bestand aus Unter-, Mittel- und Oberburg und wurde zu Zeiten von Kaiser Barbarossa fertiggestellt. Ruinen der Unterburg sind noch immer vor Ort zu besichtigen, die Oberburg musste bis auf den noch stehenden Barbarossaturm weichen für den Bau des Kyffhäuserdenkmals. Am Fuße des Denkmals, unterhalb der riesigen bronzenen Reiterstatue von Kaiser Wilhelm I. sitzt Kaiser Barbarossa in seinem Thron aus rotem Sandstein und erwacht. Wenn Sie beide Ausflugsziele an einem Tag besuchen möchten, dann haben Sie sich ein kleines Nickerchen im Reisebus redlich verdient. Wenn Sie das Kyffhäuserdenkmal bei einer eigenen Reise besuchen wollen, dann empfehlen wir Ihnen für den heutigen Ausflug noch die Gaststätte Barbarossahöhle. Nach eigenem Bekunden bietet sie gepflegte Thüringer Gastlichkeit inmitten unberührter Natur. Versichern können wir Ihnen, dass es auch einen schönen Biergarten gibt; allerdings kann einiges los sein, wenn Sie nicht die einzige Reisegruppe vor Ort sind. Auch hier empfiehlt sich also eine Reservierung, wenn Sie mehr als 10 Personen sind. Endgültig entlassen wollen wir Sie mit weiteren, Ihnen nun gut verständlichen Versen von Friedrich Rückert aus seinem Gedicht Barbarossa: Er spricht im Schlaf zum Knaben / Geh hin vors Schloss o Zwerg / und sieh, ob noch die Raben / herfliegen um den Berg. // Und wenn die alten Raben / noch fliegen immerdar / so muss ich auch noch schlafen / verzaubert hundert Jahr.
Hinweise
Die Barbarossahöhle finden Sie unter folgender Adresse: Mühlen 6, 99707 Kyffhäuserland
Der Eintritt beträgt 9,50 € für Einzelpersonen. Für Gruppen ab 15 Personen 8 € pro Person. Geöffnet ist die Barbarossahöhle täglich von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr
Reservierungen für die Führungen können Sie unter der Rufnummer 034671-54513 oder unter der E-Mailadresse service@hoele.de tätigen
Für Reservierungen für die Gaststätte Barbarossahöhle schreiben Sie bitte an gaststaette@hoehle.de / Telefonnummer: 034671-54516
Lesenswert
Knut Görichs 2011 erschienenes Buch Friedrich Barbarossa – eine Biographie kostet 29,95 € und erzählt Legenden und vor allem die wahre Geschichte des Kaisers mit dem roten Bart